Vergabeblog

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Erneut: Auftraggeber bestimmt den Beschaffungsbedarf! (OLG Brandenburg, Beschluss v. 30.01.2014, Verg W 2/14)

ParagraphDie Definition des Beschaffungsbedarfs obliegt dem Auftraggeber. Hierbei kann dieser die technischen Anforderungen definieren und eine Einordnung dahingehend vornehmen, ob es sich um Mindestanforderungen oder Wertungskriterien handelt. Eine Definition von Mindestanforderungen für den zu vergebenden Auftrag ist dabei auch hinsichtlich technischer Einzelvorgaben zulässig (OLG Brandenburg, Beschluss vom 30.01.2014, Verg W 2/14).

§§ 13 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A; § 16 Abs. 1 Nr. 1b EG VOB/A

Leitsätze

1. Wird in den Vergabeunterlagen ein DC/AC-Wandler mit einem Wirkungsgrad von > 90% gefordert und wird ein Wandler mit dem Wirkungsgrad von 90% angeboten, genügt das Angebot nicht den Ausschreibungsbedingungen und ist auszuschließen.

2. Die Annahme eines Nebenangebotes setzt begriffsnotwendig voraus, dass der Bieter eine eigenständige Lösung erarbeitet hat. Daran fehlt es, wenn die Änderung in einer Leistungsposition nicht auf einem von der Leistungsbeschreibung abweichenden technischen Lösungsansatz beruht.

3. Der öffentliche Auftraggeber ist zur Nachforderung verpflichtet, wenn Erklärungen oder Nachweise ganz fehlen oder an formalen Mängeln, wie etwa an einer fehlenden Unterschrift, leiden. Eine Erklärung fehlt nicht, wenn diese – wie hier – mit einem anderen Inhalt als gefordert abgegeben wird und damit materiell unzureichend ist.

Sachverhalt

Der Auftraggeber schrieb die Ausstattung von Anlagen des Digitalfunks als beschränkte Ausschreibung nach öffentlichem Teilnahmewettbewerb, unterteilt auf drei Lose, aus. Die Ausschreibung unterschied zwischen Ausschluss- (Eignungs-) und Bewertungskriterien. Dabei sollte ein Bewertungskriterium auch der Gesamtwirkungsgrad des angebotenen Brennstoffzellensystems sein. Hinsichtlich dieses Kriteriums enthielt die Leistungsbeschreibung die Formulierung, dass für den DC/AC-Wandler ein Wirkungsgrad von > 90% gefordert sei. Die Antragstellerin, welche Angebote für alle drei Lose trotz Loslimitierung abgegeben hatte, trug hierzu Wirkungsgrad 90% ein. Hierauf schloss die Vergabestelle das Angebot wegen Änderung an den Vergabeunterlagen von der Wertung aus, wogegen sich die Antragstellerin im Wege der Nachprüfung wandte.

Die Entscheidung

Ohne Erfolg! Das OLG Brandenburg sah die in den Vergabeunterlagen enthaltene Forderung des Auftraggebers nach einem Wirkungsgrad > 90% als Mindestanforderung für die anzubietende Leistung an. Das Angebot der Antragstellerin, welches lediglich einen Wirkungsgrad von 90 erreiche, entspräche den Vorgaben der Leistungsbeschreibung nicht, da der geforderte Wirkungsgrad > 90% durch den von ihr angebotenen DC/AC-Wandlung gerade nicht erreicht werde. Daher sei das Angebot zwingend vom weiteren Verfahren auszuschließen gewesen.

Deutsches VergabenetzwerkRechtliche Würdigung

Die hinsichtlich des geforderten Wirkungsgrades der Anlage getroffene Anforderung der Vergabestelle war nach Auffassung des Senats eindeutig und unmißverständlich als zwingende Vorgabe zu verstehen, so dass eine Angabe eines geringeren Wirkungsgrades eine unzulässige Änderung der Leistungsbeschreibung und damit der Vergabeunterlagen darstelle. Insoweit habe die Vergabestelle zu Recht von dem ihr zustehenden Ermessen hinsichtlich der Anforderungen an die zu beschaffende Leistung Gebrauch gemacht. Die Definition der Leistungsanforderungen, auch im Hinblick auf Teilkomponenten, sei ausschließlich der Bestimmung durch den Auftraggeber unterworfen und definiere dessen Beschaffungsabsicht. Diese Forderung des Auftraggebers sei daher nicht zu beanstanden. Die Angabe eines Wandlers mit einem geringeren als dem geforderten Wirkungsgrad sei ferner nicht als zulässige Abweichung von einer technischen Spezifikation im Sinne des § 13 Abs. 2 VOB/A-EG aufzufassen, da die hier entscheidende Vorgabe gerade keine technische Spezifikation im Rechtssinne darstelle, sondern eine konkrete technische Angabe für das hier zu ergänzende Bauvorhaben darstelle. Die Zulassung von Abweichungen in technischen Spezifikationen, d.h. technischen Regelwerken, Normen oder allgemeinen Eigenschafts- und Funktionsbeschreibungen diene lediglich der Freiheit des Dienstleistungsverkehrs in Bereichen, in denen gemeinsame europäische technische Spezifikationen nicht definiert sind. Da jedoch auf dem Markt DC/AC-Wandler mit unterschiedlichen Wirkungsgraden verfügbar seien, ohne dass insoweit technische Normen bestünden, handele es sich bei der hier vorgegebenen Anforderung um eine geforderte Qualifikation des Leistungsgegenstandes und nicht um eine technische Spezifikation im Sinne des § 13 Abs. 2 VOB/A. Die hier angebotene Leistung stelle daher eine Änderung der Vergabeunterlagen dar, was einen zwingenden Ausschlussgrund begründe.

Praxistipp

Das OLG Brandenburg bestätigt wiederum die inzwischen weit überwiegend vertretene Einschätzung, dass der Auftraggeber in seiner Bestimmung des Beschaffungsbedarfes frei ist. Insbesondere ist der Auftraggeber auch nicht verpflichtet, eine Vielfalt technischer Lösungen zuzulassen, sondern kann die für ihn relevanten Leistungen am Markt abfragen (vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.05.2013, Verg 16/12; OLG Dresden, Beschluss vom 17.05.2011, Verg 3/11; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.01.2010, 27 U 1/09 u.a.). Daher haben Bieter die vom Auftraggeber vorgegebenen Mindestanforderungen an die ausgeschriebene Leistung zwingend zu beachten und können nicht die Berücksichtigung anderer, möglicherweise selbst technisch ähnlicher Leistungen mit Erfolg geltend machen.

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Über Julia Zerwell

Julia Zerwell ist Dipl.-Verwaltungswirtin (FH), Rechtsanwältin und Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht bei der SIBETH Partnerschaft in Frankfurt. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt im Vergaberecht und umfasst die Beratung bei öffentlichen Auftragsvergaben sowie bei Konzeptionierung und Durchführung von Ausschreibungen aller Vergabearten im Bau- oder Dienstleistungsbereich. Sie unterstützt Auftraggeber und berät Vergabestellen wie auch Bieter. Ihr Tätigkeitsfeld erstreckt sich auf die projektbegleitende Beratung im privaten Bau- und Architektenrecht, insb. bei Großbauvorhaben und Infrastrukturprojekten, sowie Vertretung vor Behörden und Gerichten. Zerwell ist Referentin verschiedener Seminare und publiziert regelmäßig in Fachzeitschriften.

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