Vergabeblog

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Politik und Markt

Rückschau: DGRI Jahrestagung 2009 – „IT zwischen Monopol und Staat“

Problematik des Staates als IT-Anbieter Schwerpunktthema

Vom 1. bis zum 3. Oktober fand in Potsdam die Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Recht und Informatik (DGRI) statt. Tagungs- und Schwerpunktthema war in diesem Jahr das Konfliktfeld „IT zwischen Monopol und Staat“, bei welchem insbesondere auch die Problematik des Staates als Anbieter von IT Leistungen adressiert wurde.

Eine Einführung in die Thematik bot Prof. Dr. Dirk Heckmann en passant in seiner Keynote „Grundgesetz 2.0: Staat und IT in guter Verfassung?“, in welcher er unter anderem den neuen Art. 91c GG und den hierzu vorgesehenen Staatsvertrag kritisch beleuchtete. Als eine der maßgeblichen Herausforderungen für den IT-Staat benannte Heckmann die Tendenz der immer stärkeren Zurückdrängung privater IT-Dienstleister. Mit einer gewissen Sorge beobachte er es, dass der Staat immer häufiger mit Steuermitteln Software, die es bereits am Markt gebe, nachbaue und mitunter kostenlos (z.B. ElsterFormular oder Schulverwaltungssoftware) verteile. Heckmann verdeutlichte, dass der Staat durch seine systembedingten Wettbewerbsvorteile (staatliche Autorität, kein Insolvenzrisiko) ganz andere Möglichkeiten habe zu wirtschaften. Es bestehe die Gefahr, dass insbesondere mittelständische Unternehmen vom Markt gedrängt würden und die einem echten Wettbewerb immanente Innovationskraft unterdrückt werde. Heckmann entwickelte das Leitbild eines kooperativen und vertrauenswürdigen IT-Staates, der wettbewerbsverzerrende Vorabfestlegungen (z.B. auf bestimmte „Standards“) vermeiden und vielmehr neutrale Technologievorgaben machen solle. Der gesamte IT-Markt müsse ermuntert werden, passende Lösungen für die öffentliche Hand zu entwickeln, die sodann vergaberechtskonform beschafft werden.

Die von Heckmann angesprochenen Konfliktfelder waren dann auch Gegenstand des anschließenden Workshops zum Thema „Der Staat als IT-Anbieter“. Zunächst befasste sich Prof. Dr. Stefan Ernst mit den wettbewerbsrechtlichen Implikationen der Betätigung des Staates auf dem IT-Markt. Er stellte klar, dass der Staat als Wettbewerbsteilnehmer den gleichen rechtlichen Spielregeln unterworfen sei wie seine privaten Konkurrenten. In der Praxis, so das Ergebnis der anschließenden Diskussion, würden wettbewerbsrechtliche Ansprüche von privaten Anbietern von IT-Dienstleistungen für die öffentliche Hand nur selten geltend gemacht. Häufig bestünde die Befürchtung, dass sich ein Vorgehen mit Blick auf künftige Aufträge nachteilig auswirke.

Ähnliches sei auch mit Blick auf Verstöße gegen das Vergaberecht zu beobachten, ergänzte Rechtsanwalt Marco Junk vom Branchenverband BITKOM im Rahmen des anschließenden Vortrags zu vergaberechtlichen Implikationen der zunehmenden Zentralisierung und Standardisierung. Junk konstatierte, dass die öffentliche Hand z.B. durch Änderungen der Gemeindeordnungen bestrebt sei, ihren bereits bestehenden Wettbewerbsvorteil weiter auszubauen. Eine weiträumige europarechtswidrige Aushebelung des Vergaberechts auf dem Gebiet der so genannten Quasi Inhouse-Vergabe im Rahmen der jüngsten Vergaberechtsreform habe erst in letzter Minute gestoppt werden können. Kritisch würdigte Junk auch die „Dataport-Klausel“ des neuen Art. 91c GG, deren Auswirkung auf die Praxis der IT-Beschaffung des Staates derzeit noch offen sei. Mit Blick auf die jüngste Rechtsprechung des EuGH in Sachen interkommunale Zusammenarbeit (EuGH, Urt. v. 9. Juni 2009, Rs. C-480/06 – „Rotenburg/Wümme“) wies er darauf hin, dass eine extensive Auslegung insbesondere im Bereich von IT-Instate-Kooperationen auf Grund des sehr speziellen der Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalts nicht möglich sei.

Den Workshop beschloss Rechtsanwalt Dr. Jyn Schultze-Melling mit der Darlegung der These, dass die derzeitige Tendenz des Staates zu Zentralisierung und Standardisierung nur schwer mit dem Gebot vereinbar sei, IT-Sicherheit zu gewährleisten. Eine heterogene Systemlandschaft habe, so Schultze-Melling, den Vorteil der erschwerten Angreifbarkeit. Eine Zentralisierung von Systemen hingegen steigere die Motivation eines Angriffs auf ein bestimmtes System immens. Insbesondere mit Blick auf das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme müsse der Staat berücksichtigen, ob und inwieweit durch Standardisierungs- und Zentralisierungsprojekte dieses Recht beeinträchtigt werde.

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