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Rückblick: Das war der 10. Deutschen Vergabetag

Am 16. und 17. November fand der diesjährige 10. Deutsche Vergabetag, die Leitveranstaltung für Vergaberecht und öffentliches Auftragswesen, in Berlin statt. Über 700 Personen aus Vergabepraxis, Rechtspflege, Wirtschaft und Wissenschaft kamen zum jährlichen Familientreffen der Vergabe-Community nach Berlin. Der nach Teilnehmenden bisher größte Vergabetag hielt dabei gleich mehrere Premieren bereit. Mehr erfahren Sie in unserem bebilderten Rückblick:

Der Tag war überschattet vom Streik der Lokführergewerkschaft GDL, die sich punktgenau den ersten der beiden Kongresstage dafür ausgesucht hatte. Dennoch schafften es gut 700 der über 800 angemeldeten Teilnehmer nach Berlin.

Wie bereits in den Vorjahren fand die Veranstaltung im Martitim proArte Hotel im Herzen von Berlin-Mitte statt. Die Moderation der beiden Kongresstage übernahm auch dieses Mal Frau Dr. Nicola Ohrtmann, Fachanwältin für Vergaberecht und Equity-Partnerin bei AULINGER Rechtsanwälte Notare, in gewohnt souveräner wie charmanter Weise. Frau Dr. Orthmann ist bereits seit der zweiten Auflage des Deutschen Vergabetages im Jahr 2016 „das Gesicht“ der Tagung und so ließ sie in ihrer Eröffnung die Highlights der vergangenen Jahre Revue passieren.

Rechtsanwalt und Geschäftsführer des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW), Marco Junk, eröffnete offiziell den Deutschen Vergabetag 2023 und erinnerte daran, dass dieser kein klassisches Weiterbildungsformat sei: „Der Deutsche Vergabetag hat sich von Beginn an als Veranstaltung verstanden, von dem Impulse zur Weiterentwicklung des Vergaberechts ausgehen“, so Junk. Das zeigte sich auch beim 10. Deutschen Vergabetag durch das Mitwirken der Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Beschaffungspraxis.

Politische Einordung

Das für Vergaberecht federführende Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) war seit dem ersten Vergabetag im Jahr 2014 fester Bestandteil des Programms, in diesem Jahr aber erstmals mit einem Staatssekretär vertreten: Sven Giegold gab in seiner Keynote Einblicke in den Stand des geplanten Vergabetransformationspakets der Bundesregierung. Er betonte, wie wichtig die Durchführung von Konsultationen dabei gewesen sei, um mögliche Änderungen an die tatsächlichen Bedürfnisse der umsetzenden Praktiker und Praktikerinnen anzupassen. Eins der potenziellen Mittel zur Vereinfachung und Bürokratieentlastung, die der Staatssekretär in Aussicht stellte, ist die Anhebung des Schwellenwertes für Direktaufträge auf 10.000 EUR. Die oftmals von Seiten der Wirtschaft geforderte Verschmelzung der VOB/A mit den Regelungen der VgV und der UVgO konnte er in der laufenden Legislatur zwar nicht in Aussicht stellen, gleichwohl sollten aber nationale Spielräume weiter ausgenutzt werden, so Giegold. Hierzu werde man das Gebot der Losaufteilung, die weitere Stärkung von Eigenerklärungen sowie die voranschreitende Digitalisierung intensiv betrachten.

Auf den Staatssekretär folgte, in nicht ganz korrekter protokollarischer Reihenfolge, die nächste Premiere auf einem Deutschen Vergabetag: Der Bundesminister der Justiz, Dr. Marco Buschmann, stellte die Pläne der Regierung zum Abbau von Bürokratie und zur Beschleunigung von Verwaltungsverfahren vor. Kurzum: Mehr Tempo, mehr Vereinfachung, lautete das Credo des Bundesministers. Zudem sei es dringend erforderlich, schneller digitaler zu werden. Er konnte hier mit der erfolgreichen Einführung der e-Akte in seinem Ministerium vorbildlich punkten. Denn dies sei der erste und wichtigste Schritt, um der Nutzung von künstlicher Intelligenz den Weg zu ebnen, so Buschmann.

Aus der Praxis

Aus der Praxis berichtete der Präsident des Beschaffungsamtes des BMI (BeschA) Dr. Alexander Eisvogel. Aus Gesprächen mit amerikanischen Beschaffungsstrategen hatte der Präsident den Slogan „Its all about logistics“ mitgebracht und erläuterte anhand von illustrierten Beschaffungsprojekten, wie wichtig prozessorientiertes Handeln in der Beschaffung sei. In seiner Keynote appellierte er daran, dass „Beinfreiheit“ bei der Entscheidungsfindung das Mittel der Wahl sein müsse, um das Spannungsfeld zwischen strategischen Beschaffungszielen und vergaberechtlicher Umsetzbarkeit aufzulösen. Auch an das BeschA an dieser Stelle ein einen herzlichen Dank für die treue Wegbegleitung unseres Deutschen Vergabetags seit seiner ersten Ausgabe 2014!

Rechtsprechung

In dem sich anschließenden Fachpanel Recht stellten die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Düsseldorf, Frau Dr. Christine Maimann, und die Richterin am Bayerischen Obersten Landgericht, Frau Petra Willner, aktuelle Fälle aus der Rechtsprechung ihrer Senate vor. Ein Schwerpunkt fiel dabei auf die Statthaftigkeit der Interimsvergabe.

Programmänderung durch GDL

Bedauerlicherweise konnte die Richterin am Oberlandesgericht Frankfurt, Frau Gudrun Fehns-Böer, aufgrund des GDL-Streiks nicht anreisen. Eine kurzfristig eingerichtete Videoschalte verendete leider ebenfalls im Stau auf der Datenautobahn. Die entstandene Programmlücke wusste jedoch der stellvertretende Vorsitzende des Vergabesenats am Oberlandesgericht Koblenz, a.D., Hermann Summa, unmittelbar zu füllen! Der langjährige Begleiter des Deutschen Vergabetags, der zu seiner aktiven Dienstzeit in nahezu jedem Jahr fester Bestandteil des Programms war, verkündete auf dem 10. Deutschen Vergabetag, dass er sich aus dem aktiven Konferenzprogramm endgültig zurückziehe. Er nutzte seinen damit selbsterklärt letzten Vortrag nochmals, um in aller Deutlichkeit auf Widersprüche und nicht erforderliche Interpretationsspielräume in der jüngeren Entscheidungspraxis des Europäischen Gerichtshofs aufmerksam zu machen. Unter langanhaltendem Applaus verabschiedeten die Teilnehmenden Herrn Summa von der vergaberechtlichen Bühne.

Die Praxisworkshops

Nach der Mittagspause, die die beste Gelegenheit zum Networking mit alten und neuen Gesichtern der Vergabe-Community bot, teilten sich alle BesucherInnen auf einzelne Workshops auf. Eine weitere Premiere in diesem Jahr: In den Praxis-Workshops hatten die Teilnehmenden nunmehr die Qual der Wahl zwischen ganzen 24 statt wie sonst 15 verschiedenen Themen. Diese zur besseren Orientierung zum ersten Mal thematisch geclustert nach allgemeinen Vergaberechtsthemen und solchen zur IT- bzw. Bau-Vergaben oder nachhaltigen Beschaffung. Das Themenspektrum reichte dabei vom „Zusammenspiel von Vergabestelle und Bedarfsträgern“ über „Preisprüfung und Preisaufklärung“ und „Beschleunigung & Kommunikation in Vergabeverfahren“ bis zu „Vergabe von As-a-Service-Leistungen und Cloud-Produkten“ und „Nachhaltige Beschaffung durch Leistungsbeschreibung, Eignungs- und Zuschlagskriterien sowie Ausführungsbedingungen“, um nur einen kleinen Teil der Bandbreite zu nennen, die für jeden Beschaffungsalltag konkrete Hilfestellungen bot.

Der Abend

Fester Bestandteil des Deutschen Vergabetages ist die festliche Abendveranstaltung, auf der zugleich traditionell die jährlichen Gewinner der DVNW-Awards für die meistgelesenen Beiträge im Vergabeblog ausgezeichnet werden. Zuvor jedoch gab es noch einen weiteren inhaltlichen Punkt: Marco Junk stellte gemeinsam mit Carlos Frischmuth, Managing Director der Hays AG, die in Kooperation von Hays und DVNW erstellte Studie „Trendmonitor Öffentliche Vergabe“ vor. Mitglieder des DVNW finden die Ergebnisse als PDF hier in der DVNW Bibliothek. (Wenn Sie noch kein Mitglied im Online-Forum des DVNW sind, geht es hier zur kostenlosen Mitgliedschaft).

Außerdem stellte der in diesem Jahr gegründete „DVNW Dialogkreis IT“ seine ersten Arbeitsergebnisse vor. Mit dem Dialogkreis will das Deutsche Vergabenetzwerk (DVNW) den Austausch zwischen Behörden und Privatunternehmen fördern, denn Vergabeverfahren scheitern auch oft genug daran, dass sich keine oder nicht die passenden Unternehmen auf eine Ausschreibung bewerben: Wie kann die öffentliche Hand Ausschreibungen durchführen, die mehr Bieter anziehen? Wie können Privatunternehmen Ihre Angebote gestalten, um Ihre Chancen zu erhöhen? Das sind nur zwei Fragen, die im Dialogkreis intensiv miteinander diskutiert werden. Das erste Arbeitsergebnis des DVNW Dialogkreises IT ist das Positionspapier „Vertrauen und Offenheit: Mehr Kommunikation wagen!„, dass Ihnen kostenlos in der Bibliothek des Online-Forums des DVNW zum Download zur Verfügung steht. (Wenn Sie noch kein Mitglied im Online-Forum des DVNW sind, geht es hier zur kostenlosen Mitgliedschaft).

Die Gewinner der diesjährigen DVNW-Awards im Überblick:

Platz 1: „Gegen den Strom: Stillhaltefrist des §134 Abs.2 GWB endet nicht an Sonn- und Feiertagen!
von Sven Müller, Rechtsanwalt und Associate bei Dentons

Platz 2: „Wann führen Änderungen der Vergabeunterlagen zum Angebotsausschluss?
von Jan-Eric Smolarek, Fachanwalt für Vergaberecht sowie für Bau- und Architektenrecht bei Dr. Schakow & Partner

Platz 3: „Die Vergabe von Planungs-leistungen nach der Aufhebung von § 3 Abs. 7 S. 2 VgV
von Dr. Christoph Kins, Fachanwalt für Vergaberecht und Partner bei abante Rechtsanwälte

Platz 4: „Entlastung der Vergabestellen durch ChatGPT in der Vergabepraxis?
von Michael Pilarski, Syndikusrechtsanwalt bei der Investitions- und Förderbank des Landes Niedersachsen – Nbank

Zum Ausklang des langen Kongresstages sorgte die Live-Band „Viola con Padrinos“ für eine entspannte Stimmung und die Gäste nutzen die Möglichkeit, um sich auszutauschen und zu netzwerken, bis das Licht um 0 Uhr aus- bzw. besser gesagt anging, und sich ganz Hartgesottene auf die umliegenden Angebote in Berlin-Mitte verlagern mussten.

Tag 2

Der zweite Tag begann mit einer Neuerung. Neben den bekannten „Innovationsforen“, in denen zukunftsweisende Beschaffungsthemen vorgestellt und diskutiert wurden – hier reichte das Themenspektrum von Open Source über Cloud bis Künstliche Intelligenz – hatten wir zum ersten Mal auch „Marktforen“ im Programm, in denen am Markt bereits vorhandene Lösungen oder Tools für eine effizientere Beschaffung vorgestellt wurden.

„Das Vergabetransformationspaket der Bundesregierung – zwischen Anspruch und Wirklichkeit“, lautete der Titel der Podiumsdiskussion nach der Mittagspause. Der ReferentInnnentwurf zum Vergabetransformationspaket liegt zwar noch nicht vor, aber die bisher bekannten Ziele und Maßnahmen boten dennoch genügend Stoff für eine lebhafte Auseinandersetzung. Dieser stellten sich die Teilnehmenden unter der Moderation von Marco Junk. Es diskutierten: Dr. Elga Bartsch, Abteilungsleiterin Wirtschaftspolitik beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Bernd Düsterdiek, Beigeordneter des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB), Prof. Dr. Michael Eßig von der Forschungsgruppe für Recht und Management öffentlicher Beschaffung an der Universität der Bundeswehr München und Dr. Jan Seidel, Head of Legal Germany, Siemens Healthineers.

Im Anschluss gab Kai Hooghoff, Leiter der Abteilung Wettbewerbsregister im Bundeskartellamt, einen Einblick ins Wettbewerbsregister als zentrale Informationsstelle für öffentliche Auftraggeber. Wir freuen uns, dass der bereits für vergangenes Jahr geplante Vortrag nunmehr stattfinden konnte, nachdem Herr Hooghoff im letzten Jahr wegen des Güterzugunglücks auf der Strecke Hannover-Berlin nicht am Deutschen Vergabetag teilnehmen konnte.

Mehr Innovation wagen?

Vor der zweiten Podiumsdiskussion setzte Dr. Anna Christmann, MdB und Beauftragte für die Digitale Wirtschaft und Start-ups im BMWK mit Ihrem Impulsvortrag „Mehr Innovation wagen“ ein Zeichen für die Zukunftsfähigkeit des öffentlichen Einkaufs.

Eine perfekte Grundlage für die folgende Diskussion mit Ammar Alkassar, Mitglied des Vorstands des GovTech Campus Deutschland, Eva-Maria Vogt, Syndikusrechtsanwältin bei der Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND) und Dr. Oliver Heidinger, Präsident des Landesbetriebs Information und Technik NRW (IT.NRW). Moderiert von Prof. Dr. Hermann Hill, Staatsminister a. D. und Experte für öffentliche Verwaltung, drehte sich das Gespräch um aktuelle Hemmnisse bei der Beschaffung von Innovationen und mögliche Wege, diese zu beseitigen.

Ein Blick in die Zukunft, der einen gebührenden Abschluss für den 10. Deutschen Vergabetag bildete. Apropos Blick in die Zukunft: Der 11. Deutsche Vergabetag findet am 14. und 15. November 2024 statt! Merken Sie sich das Datum vor und vor allem: Sichern Sie sich frühzeitig eine Karte, da der Deutsche Vergabetag bisher – seit seinem Debüt um Jahr 2014 – immer Monate vorher ausverkauft war.

Wir bedanken uns nochmals bei allen Gästen, ReferentInnen, AusstellerInnen und SponsorInnen und freuen uns darauf Sie, im nächsten Jahr begrüßen zu dürfen!

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