Der unterlegene Bieter muss darlegen, über welche Informationen der Projektant verfügt, die diesen in der Angebotsauswertung begünstigt haben. Das OLG Düsseldorf hat in seiner Entscheidung die Erteilung des Zuschlags an einen Projektanten für rechtmäßig erachtet, weil der Auftraggeber den erlangten Wissensvorsprung durch das Zurverfügungstellen der relevanten Informationen ausgeglichen und die Angebote neutral bewertet hat. Die Angemessenheit der Bewertungskriterien wurde hingegen aufgrund der Rügepräklusion nicht mehr überprüft.
§§ 7 VgV, 124 Abs. 1 Nr. 6 GWB
Sachverhalt
Der Auftraggeber (AG), eine Bauträgergesellschaft, schrieb Leistungen im Bereich „Bauherrenprojektmanagement“ aus. Mit der Antragstellerin (ASt) bestand bis dahin ein Projektsteuerungsvertrag, unter dem zur Leistungserbringung eine Nachunternehmerin (CBS) eingesetzt wurde. Nach dem Auslaufen des bestehenden Vertrags erfolgte die Neuausschreibung, an der sich die neu gegründete Beigeladene (B) beteiligte, die den Zuschlag erhalten sollte. Der Geschäftsführer der CBS ist gleichzeitig Geschäftsführer der B und die CBS lieh der B die Eignung in Bezug auf die geforderten Referenzen. Die ASt machte nach entsprechender Vorinformation über die beabsichtigte Zuschlagerteilung geltend, die B sei wegen der Mitwirkung des Geschäftsführers an der Erstellung der Vergabeunterlagen, insbesondere an der Leistungsbeschreibung, der Personalplanung, der Beschreibung der Einarbeitungsphase und der Funktionsbeschreibung vom Vergabeverfahren als Projektant auszuschließen.
Die Entscheidung
Das OLG Düsseldorf sah einen Ausschluss nicht für erforderlich an und billigte die Zuschlagserteilung an die B.
Die B sei als vorbefasstes Unternehmen anzusehen, obwohl sie erst für das gegenständliche Vergabeverfahren gegründet worden ist und bei der Vorbereitung des Vergabeverfahrens noch gar nicht existent war. Ihr Geschäftsführer hat jedoch an der Erstellung des Leistungsverzeichnisses und der Kostenschätzung mitgewirkt und zu diesem Zweck Kenntnis vom aktuellen Stand des Entwurfs von Vertrag und Zuschlagskriterien erhalten.
Der erlangte Wissensvorsprung sei aber durch das Zurverfügungstellen aller relevanten Informationen ausgeglichen worden. Die ASt habe auch nicht substantiiert vorgetragen, welche weiteren mündlichen Informationen zusätzlich an den Geschäftsführer übermittelt worden seien, die wettbewerbsrelevant gewesen sein könnten. Hierzu wäre die ASt aber verpflichtet gewesen.
Den Einwand, das Zuschlagskriterium Personalkonzept begünstige die B als bisherige tatsächliche Auftragsausführende, wies das OLG Düsseldorf als präkludiert zurück. Zwar hat die ASt die Vergaberechtswidrigkeit dieses Kriteriums nach Auffassung des OLG Düsseldorf erst mit Erhalt der Vorinformation erkannt, diesen Verstoß aber nicht ausdrücklich gerügt. Der Verstoß sei auch nicht von Amts wegen aufzugreifen.
Rechtliche Würdigung
Im Grundsatz bewegt sich die Entscheidung in der Linie der gefestigten Rechtsprechung, wonach Projektanten nicht automatisch vom Vergabeverfahren auszuschließen sind, sondern ein aufgrund des Wissensvorsprungs erlangter Wettbewerbsvorteil auszugleichen ist.
Die Entscheidung stellt zunächst klar, dass der Begriff des vorbefassten Unternehmens weit zu verstehen ist und sogar zum Zeitpunkt der Erstellung der Vergabeunterlagen noch nicht existente Unternehmen erfasst sein können, wenn eine Personenidentität zwischen den befassten Mitarbeitern (hier der Geschäftsführer) besteht.
Bemerkenswert ist, dass das Gericht das Zurverfügungstellen aller relevanten Informationen und Unterlagen zum Ausgleich des Wettbewerbsvorteils für ausreichend erachtet und der ASt die Pflicht auferlegt hat, substantiiert darzulegen, welche weiteren Informationen der B als Projektantin zur Verfügung standen, die einen Wettbewerbsvorteil begründen konnten. Zuvor hatte das OLG Düsseldorf die Bereitstellung aller Unterlagen jedenfalls dann nicht als ausreichend erachtet, wenn zudem auch die Zuschlagskriterien dem Projektanten Vorteile verschafften (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.05.2024 – Verg 33/23). Die Zuschlagskriterien wurden in der vorliegenden Entscheidung aber wegen der Rügepräklusion gar nicht mehr geprüft. Insoweit stünden die Präklusionsvorschriften nicht zur Disposition der Verfahrensbeteiligten.
Die fehlende Eignung der B, die zuvor noch Gegenstand der Vergabekammerentscheidung gewesen war, im Ergebnis aber verneint wurde, wurde mangels entsprechender ausdrücklicher Anschlussbeschwerde der ASt inhaltlich ebenfalls nicht mehr geprüft.
Weder die Vergabekammer noch das OLG prüfen allerdings, ob die Beteiligung an der Erstellung der Vergabeunterlagen einen Interessenkonflikt i.S.d. § 6 VgV begründet.
Praxistipp
In der Praxis vertreten einige Vergabestellen die Auffassung, ein Projektant dürfe nicht am späteren Vergabeverfahren beteiligt werden mit der Folge, dass Unternehmen rein vorsorglich keine Leistungen im Zusammenhang mit der Erstellung der Leistungsbeschreibung erbringen. Die Entscheidung zeigt jedoch einmal mehr, dass diese Annahme unzutreffend ist. Sie betont zudem, dass den unterlegenen Bietern eine Darlegungslast in Bezug auf den wettbewerbswidrigen Wissensvorsprung und seine Niederschlagung im Ergebnis trifft.
Um erfolgreich gegen einen unfairen Wettbewerb aufgrund der Projektantenproblematik vorgehen zu können, muss ein unterlegener Bieter daher den Informationsvorsprung sowie einen möglichen Vorteil konkret benennen können. Zudem sollten insbesondere auch die Bewertungskriterien rechtzeitig dahingehend überprüft werden, ob sie einen Projektanten abstrakt begünstigen können. Dies ist nach der Entscheidung spätestens mit Erhalt der Vorinformation bekannt, weil sich erst dann der mögliche Verstoß realisiert habe. Da das OLG aber ausdrücklich zwischen den Kriterien an sich und deren konkreter Anwendung unterscheidet, sollte rein vorsorglich bei bestehendem Verdacht einer Projektantenproblematik die fehlende Objektivität der Zuschlagskriterien sofort gerügt werden, weil ein abstrakter Verstoß bereits mit deren Veröffentlichung erkennbar sein kann.
Dr. Franziska Klaß-Dingeldey, MLE
Die Autorin Dr. Franziska Klaß-Dingeldey, MLE, ist Rechtsanwältin bei der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft und berät im Vergabe-, Beihilfe- und Fördermittelrecht. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Beratung von Auftraggebern bei der Konzeptionierung und Umsetzung komplexer Beschaffungsvorhaben und der Unterstützung bei der Erstellung von Vergabeunterlagen.
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