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Zitierangaben: Vergabeblog.de vom 30/06/2025 Nr. 70829

Zweifel an der Erfüllbarkeit? – VK Bund bestätigt Angebotsausschluss bei nicht nachvollziehbarem Leistungsversprechen

VK Bund, Beschl. v. vom 12.09.2024 – VK 2-77/24

EntscheidungMit der Abgabe eines Angebots in einem Vergabeverfahren geben die Bieter ein Leistungsversprechen dahingehend ab, dass die ausgeschriebenen Leistungen vollständig und vertragsgemäß erfüllt werden. Öffentliche Auftraggeber dürfen diesen Leistungsversprechen grundsätzlich vertrauen, sind jedoch verpflichtet, deren Erfüllbarkeit zu überprüfen, wenn konkrete Zweifel aufkommen. Die Vergabekammer des Bundes bestätigte in einer aktuellen Entscheidung, dass ein Angebot ausgeschlossen werden kann, wenn der Auftraggeber von der Erfüllbarkeit des Leistungsversprechens eines Bieters nicht überzeugt ist und auch nach erfolgter Aufklärung Zweifel hinsichtlich der vertragsgemäßen Leistungserbringung verbleiben.

Sachverhalt

Die Antragsgegnerin führte im Rahmen eines bestehenden Rahmenvertrags einen Miniwettbewerb zur Vergabe von IT-Dienstleistungen zur Unterstützung des Aufbaus und der Installation eines neuen Rechenzentrums durch. Neben der Beigeladenen beteiligte sich auch die Antragstellerin mit einem Angebot. Die Bieter hatten im Rahmen der Angebotserstellung dezidierte Anforderungen an das Personal hinsichtlich Qualifikation und Erfahrung zu beachten.

Mit ihrem Angebot benannte die Antragstellerin ein zehnköpfiges Projektteam, das zumindest anteilig am Projekt mitwirken sollte. Die Antragsgegnerin stellte im Rahmen der Angebotswertung jedoch Unstimmigkeiten hinsichtlich des benannten Personals fest, da ihr bekannt war, dass ein wesentlicher Anteil der angebotenen Personen bereits in anderen Projekten eingesetzt war. Zudem verfügten drei der benannten Mitarbeiter, die zugleich Teil des Kernteams waren, nicht über die erforderliche Qualifikation für die ihnen zugedachte Rolle. Die Antragsgegnerin zweifelte deshalb an der Erfüllbarkeit des Leistungsversprechens und kam – nach einer im Ergebnis nicht zufriedenstellenden Aufklärung – zu dem Schluss, dass das Angebot nicht erkennen lasse, wie das Projekt im Auftragsfall tatsächlich ordnungsgemäß umgesetzt werden könne. Die Antragsgegnerin schloss das Angebot der Antragstellerin daher vom weiteren Verfahren aus und erteilte den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen.

Hiergegen wandte sich die Antragstellerin mit einem Nachprüfungsantrag. Sie trug unter anderem vor, die Antragsgegnerin habe ein unzulässiges Mindest- bzw. Zuschlagskriterium eingeführt, das auf eine hundertprozentige Ressourcenzusage mit Angebotsabgabe gerichtet, aber nicht in den Vergabeunterlagen als Kriterium für die Zuschlagsentscheidung vorgesehen gewesen sei. Jedenfalls sei ihr Vorgehen intransparent gewesen, weil sie nachträglich Anforderungen aufgestellt habe, die nicht allen Bietern in den Vergabeunterlagen gleichermaßen bekannt gegeben worden seien.

Die Entscheidung

Die Vergabekammer wies den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurück. Die Entscheidung der Antragsgegnerin, das Angebot der Antragstellerin wegen Zweifeln an der Erfüllbarkeit des Leistungsversprechens auszuschließen, sei vergaberechtlich nicht zu beanstanden. Die Vergabekammer begründet dies damit, dass ein Zuschlag auf ein Angebot dann nicht erfolgen darf, wenn aus dem Angebot begründete Zweifel an der Erfüllbarkeit des abgegebenen Leistungsversprechens folgen und diese Zweifel auch im Zuge der Angebotsaufklärung nicht beseitigt werden können.

Die VK Bund stützt den Ausschluss des Angebots dabei auf § 31 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VSVgV. Danach sind Angebote auszuschließen, bei denen Änderungen an Eintragungen nicht zweifelsfrei nachvollziehbar sind oder in denen unzulässige Änderungen oder Ergänzungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen wurden. Die Vergabekammer entschied, dass diese Regelungen auch auf diejenigen Fälle anzuwenden sind, in denen erhebliche Zweifel an der Erfüllbarkeit des gesamten Leistungsversprechens bestehen. Denn wenn bereits zweifelhafte Änderungen an Eintragungen zum Ausschluss führen, gelte dies erst recht für Angebote, die hinsichtlich des Leistungsversprechens insgesamt zweifelhaft sind oder das den Vergabeunterlagen zugrunde liegende Leistungsversprechen nicht erfüllen und diese somit abändern.

Vorliegend war der Antragsgegnerin bekannt, dass mehrere der in dem Angebot benannten Personen bereits in anderen, parallellaufenden Projekten eingesetzt waren und daher nicht uneingeschränkt für das Projekt zur Verfügung standen. Die Angebotswertung zeigte außerdem, dass drei Mitarbeiter nicht über die für ihre vorgesehene Rolle erforderliche Qualifikation und Erfahrung verfügten.

Die Antragsgegnerin durfte aus Sicht der Vergabekammer daher zu Recht Zweifel an der Erfüllbarkeit des Leistungsversprechens haben, weil sich angesichts dieser Umstände kein in sich schlüssiges Gesamtbild ergebe, das eine plausible und nachvollziehbare Umsetzung der ausgeschriebenen Leistungen mit den angebotenen Personalressourcen erwarten lasse.

Auch im Zuge der anschließend durchgeführten Angebotsaufklärung konnte die Antragstellerin diese Zweifel nicht ausräumen. Die Antragsgegnerin habe in ihrem Aufklärungsverlangen dezidiert und konkret gefragt, wie und in welchem Umfang die benannten Personen jeweils für die Auftragsausführung tatsächlich zur Verfügung stehen; die Antworten der Antragstellerin blieben jedoch pauschal und ausweichend. Sie enthielten keine zusätzlichen, über den ursprünglichen Angebotsinhalt hinausgehenden Informationen.

Aus Sicht der Vergabekammer ließ sich dem Angebot der Antragstellerin somit kein unbedingtes Leistungsversprechen entnehmen und die Antragsgegnerin habe das Angebot daher zu Recht vom Verfahren ausgeschlossen.

Rechtliche Würdigung

Die Vergabekammer stellt mit der Entscheidung klar: Das Leistungsversprechen, das ein Bieter mit seinem Angebot abgibt, muss plausibel sein. Insbesondere bei der Bewertung von Angeboten, die Vorgaben beispielsweise hinsichtlich eines bestimmten Personaleinsatzes oder der Einhaltung enger Fristen umsetzen, müssen die Angaben im Angebot ein in sich stimmiges Gesamtbild ergeben. Ist dies nicht der Fall und ergeben sich für den Auftraggeber mit Blick auf das Angebot Unstimmigkeiten oder Widersprüche, die eine vertragsgemäße Leistungserbringung fraglich erscheinen lassen, ist dieser verpflichtet, dem nachzugehen. Den Auftraggeber trifft damit die Pflicht, den Bieter zur Klärung der fraglichen Punkte aufzufordern. Dabei kann auch die Einreichung zusätzlicher Nachweise und ergänzender Erläuterungen verlangt werden, um die Erfüllbarkeit des Leistungsversprechens zu überprüfen.

Bleiben nach der Aufklärung weiterhin Zweifel bestehen, ist aus Sicht der VK Bund der Ausschluss des Angebots zwingend geboten, um die Gleichbehandlung der Bieter im Verfahren zu gewährleisten.

Die Entscheidung fügt sich dabei in eine Reihe von Entscheidungen der letzten Jahre ein, die sich mit der Überprüfung von Leistungsversprechen beschäftigen. Dabei sind sich die Nachprüfungsinstanzen einig, dass öffentliche Auftraggeber grundsätzlich auf die Leistungsversprechen der Bieter vertrauen dürfen. Allerdings gilt dieser Vertrauensschutz nicht grenzenlos.

So entschied das OLG Karlsruhe (Beschl. v. 07.09.2022 – 15 Verg 8/22) zwar, dass ein Auftraggeber selbst bei substantiierten Einwänden eines Wettbewerbers zunächst weiterhin auf das Leistungsversprechen des für den Zuschlag vorgesehenen Bieters vertrauen darf, wenn dieser vertraglich verbindlich die ordnungsgemäße Ausführung zusichert. Ein Eingreifen und eine tiefergehende Prüfungspflicht besteht jedoch, sobald konkrete Zweifel entstehen oder substantiiert vorgetragen werden, die auf mögliche Schwierigkeiten bei der Vertragserfüllung hinweisen.

Dem schloss sich jüngst auch das OLG Düsseldorf (Beschl. v. 12.06.2024 – Verg 36/23) an. Der dortige Vergabesenat bestätigte, dass Auftraggeber im Grundsatz auf verbindliche Zusagen der Bieter vertrauen dürfen, stellt zugleich aber klar, dass dieses Vertrauen endet, wenn nachvollziehbare Anhaltspunkte für Zweifel an der tatsächlichen Erfüllbarkeit der zugesagten Leistungen auftreten. In diesen Fällen obliegt es dem Auftraggeber, diese Zweifel durch ergänzende Nachfragen und Aufklärung auszuräumen, bevor ein Zuschlag erteilt oder ein Angebot ausgeschlossen wird.

Die Auswahl der Überprüfungsmittel bleibt dabei grundsätzlich dem Auftraggeber überlassen, solange das gewählte Mittel zur Überprüfung geeignet ist und er die Auswahl frei von sachwidrigen Erwägungen trifft (VK Südbayern, Beschl. v. 30.05.2022 – 3194.Z3-3_01-21-61).

Praxistipp

Die Entscheidung der VK Bund verdeutlicht die Bedeutung einer sorgfältigen Angebotsprüfung auch im Hinblick auf die Erfüllbarkeit der von Bietern abgegebenen Leistungsversprechen. Zwar dürfen öffentliche Auftraggeber grundsätzlich auf die verbindlichen Zusagen der Bieter vertrauen, jedoch endet dieses Vertrauen spätestens dann, wenn sich bereits im Rahmen der regulären Angebotsprüfung Zweifel an der tatsächlichen Erfüllbarkeit ergeben oder Wettbewerbern substantiierte Einwände vortragen. In solchen Fällen sind Auftraggeber regelmäßig verpflichtet, das Leistungsversprechen zu überprüfen. Bleiben trotzdem Zweifel bestehen, ist ein Ausschluss des betreffenden Angebots nach Ansicht der VK Bund nicht nur zulässig, sondern sogar geboten.

Für Bieter bedeutet die Entscheidung, dass ihre Angebote in sich schlüssig und nachvollziehbar sein müssen. Insbesondere Aspekte wie der vorgesehene Personaleinsatz und die Aufgabenverteilung im Team müssen realistisch und belastbar dargestellt werden. Bietern ist außerdem zu empfehlen, Aufklärungsverlangen des Auftraggebers ernst zu nehmen und bestehende Zweifel im Rahmen der Aufklärung durch zusätzliche Erklärungen und Nachweise bestmöglich auszuräumen. Erforderlich ist eine substantiierte Darlegung, die über pauschale Aussagen und Allgemeinplätze hinausgeht. Eine bloße Zusicherung der Leistungserbringung reicht nicht aus.

Wettbewerber stehen allerdings weiterhin regelmäßig vor der Herausforderung, Auftraggeber zu einer Überprüfung von Leistungsversprechen zu veranlassen. Aufgrund des eingeschränkten Einblicks in die Angebote der Konkurrenten fällt es ihnen oft schwer, hinreichend konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Leistungsfähigkeit anderer Bieter darzulegen, die den Auftraggeber zu einer Aufklärung verpflichten. In der Praxis werden unterlegene Bieter daher häufig darauf angewiesen sein, dass Auftraggeber von sich aus entsprechenden Hinweisen nachgehen.

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Sven Reinecke

Sven Reinecke ist Rechtsanwalt und berät im Vergabe-, Beihilfe- und Fördermittelrecht. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt auf der Unterstützung von Auftraggebern und Unternehmen in vergaberechtlichen Streitigkeiten sowie der Gestaltung und Umsetzung komplexer Beschaffungsvorhaben. Zudem berät er zur Vertragsgestaltung und zu rechtlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit der Durchführung und Einhaltung laufender Verträge.

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