Die Ausschreibung von vorbehandelten Bioabfällen mit der Abfallschlüsselnummer 20 03 01 (Abfallbezeichnung: gemischte Siedlungsabfälle; hier: getrennt erfasste Bioabfälle, Biotonne aus Haushaltungen) gemäß der Verordnung über das Europäische Abfallverzeichnis (Abfallverzeichnis-Verordnung – AVV) ist zulässig. Eine Neuschlüsselung der vorbehandelten Bioabfälle zu der Abfallschlüsselnummer 19 12 12 (Abfallbezeichnung: Sonstige Abfälle (einschließlich Materialmischungen) aus der mechanischen Behandlung von Abfällen mit Ausnahme derjenigen, die unter 19 12 11 fallen) ist nicht notwendig, da mit der Vorbehandlung der Abfälle keine wesentliche Veränderung der Abfalleigenschaften einhergeht, wobei diese Einschätzung aber durch Abfallanalysen und entsprechende rechtliche Ausführungen im Vergabevermerk zu dokumentieren ist.
Eine Neuschlüsselung der vorbehandelten Bioabfälle zu der Abfallschlüsselnummer 19 12 12 (Abfallbezeichnung: Sonstige Abfälle (einschließlich Materialmischungen) hätte dazu geführt, dass die vorbehandelten Bioabfälle gemäß § 6 Abs. 2 BioAbfV i.V.m. Anhang 1 zur BioAbfV nicht für eine Verwertung auf Böden zugelassen wären.
§ 122 GWB, § 2 Abs. 2 Abfallverzeichnisverordnung (AVV)
Sachverhalt
Der Antragsgegner hat in einem europaweiten Vergabeverfahren die Verwertung von vorbehandelten Bioabfällen ausgeschrieben.
Der Antragsgegner siebt die Bioabfälle aus der haushaltsnahen Erfassung per Biotonne in unterschiedliche Korngrößen, um die stoffstromspezifische Verwertung zu erleichtern und um Störstoffen auf dem Bioabfall zu entfrachten.
Der Antragsgegner hatte in den Vergabeunterlagen festgelegt, dass die Bioabfälle auch nach der Vorbehandlung der Abfallschlüsselnummer 20 03 01 (Abfallbezeichnung: gemischte Siedlungsabfälle; hier: getrennt erfasste Bioabfälle, Biotonne aus Haushaltungen) gemäß der Verordnung über das Europäische Abfallverzeichnis (Abfallverzeichnis-Verordnung – AVV) zuzuordnen sind.
Die Antragstellerin war der Auffassung, dass die Bioabfälle nach der Vorbehandlung neu unter der Abfallschlüsselnummer 19 12 12 (Abfallbezeichnung: Sonstige Abfälle (einschließlich Materialmischungen) aus der mechanischen Behandlung von Abfällen mit Ausnahme derjenigen, die unter 19 12 11 fallen) einzustufen sind. Dies führe dazu, dass kein Bieter diese Leistung rechtskonform anbieten könne, da es keine Anlagen gäbe, die für den Abfallschlüssel 19 12 12 zugelassen seien. Dies begründe sich aus dem Umstand, dass Abfälle mit dem Abfallschlüssel 19 12 12 gemäß § 6 Abs. 2 BioAbfV i.V.m. Anhang 1 zur BioAbfV nicht für eine Verwertung auf Böden zugelassen seien.
In einem vorangegangenen Nachprüfungsverfahren zur gleichen Frage hatte die Vergabekammer eine Dokumentationsmangel erkannt, weil zu der Frage der Schlüsselung der vorbehandelten Bioabfälle weder eine Abfallanalyse noch ein Rechtsgutachten eingeholt worden war.
Nachdem der Antragsgegner das Vergabeverfahren rückversetzt hatte, um den Dokumentationsmangel zu heilen, musste die Vergabekammer jetzt entscheiden.
Die Entscheidung
Die Vergabekammer wies den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurück.
Die Vergabekammer bestätigt, dass die mechanische Behandlung (Sieben) keine wesentliche Veränderung der Abfalleigenschaften bewirkt, sodass der Abfallschlüssel 20 03 01 korrekt ist.
Die Abfallanalysen und das Rechtsgutachten des Antragsgegners werden als ausreichend und repräsentativ bewertet.
Ihre Entscheidung begründet wie Vergabekammer im Wesentlichen wie folgt:
Die Herkunft der Abfälle spielt für die Vergabekammer eine zentrale Rolle in der rechtlichen Bewertung. Die Vergabekammer hat entschieden, dass der Begriff der Herkunft nicht allein auf die unmittelbare Herkunft der Abfälle aus einer Abfallbehandlungsanlage beschränkt ist, sondern weiter gefasst werden muss. Es soll die Entstehung der Abfälle mit in den Blick genommen werden:
Die Herkunft der Abfälle wird nicht nur auf den Ort oder die Anlage bezogen, in der die Abfälle behandelt wurden, sondern auch auf die ursprüngliche Entstehung der Abfälle. Es kommt darauf an, ob die mechanische Behandlung (z. B. Siebung) die Eigenschaften der Abfälle wesentlich verändert hat und deshalb eine Neuschlüsselung erforderlich macht.
Die Abfälle stammen aus Haushalten und werden als getrennt erfasste Bioabfälle (AVV 20 03 01) bezeichnet.
Die mechanische Behandlung (Sieben) führt laut der Vergabekammer nicht zu einer wesentlichen Veränderung der Abfalleigenschaften, sodass die ursprüngliche Herkunft und Zuordnung (AVV 20 03 01) beibehalten werden kann.
Die Vergabekammer verweist auf frühere Entscheidungen (OLG Düsseldorf vom 20.12.2017, Vll-Verg 8/17) in denen eine wesentliche Veränderung der Abfälle durch Sortierung in unterschiedliche Fraktionen zu einer neuen Schlüsselung führte. Im vorliegenden Fall bleibt die Zusammensetzung der Abfälle jedoch weitgehend gleich, da sie lediglich nach Korngrößen gesiebt werden.
Die durchgeführten Abfallanalysen haben gezeigt, dass die organischen Anteile vor und nach der Siebung ähnlich sind, was die Beibehaltung des ursprünglichen Abfallschlüssels (AVV 20 03 01) rechtfertigt.
Die Vergabekammer hat auch die Zielsetzung der novellierten Bioabfallverordnung berücksichtigt, die darauf abzielt, Fremdstoffe aus Bioabfällen zu entfernen und eine hochwertige Verwertung zu fördern. Eine Neuschlüsselung der Abfälle nach AVV 19 12 12 würde diesem Ziel widersprechen, da sie die Abfälle aus dem Bereich der Bioabfallverwertung herausnehmen würde.
Die Herkunft der Abfälle wird also nicht nur durch die mechanische Behandlung definiert, sondern durch ihre ursprüngliche Zusammensetzung und Eigenschaften. Da die Siebung keine wesentliche Veränderung bewirkt, bleibt die Zuordnung zu AVV 20 03 01 korrekt.
Rechtliche Würdigung
Die Entscheidung überzeugt.
Die Vergabekammer hat die Bestimmungen der AVV herangezogen, die klar definieren, dass die Zuordnung eines Abfallschlüssels primär auf der Herkunft der Abfälle basiert.
Die Vergabekammer hat sich auf die Systematik der AVV gestützt, wonach eine Neuschlüsselung nur dann erforderlich ist, wenn die Abfälle durch eine Behandlung eine wesentliche Veränderung ihrer Eigenschaften erfahren.
Die Vergabekammer hat festgestellt, dass die mechanische Behandlung (Sieben) der Bioabfälle keine wesentliche Veränderung ihrer Eigenschaften bewirkt. Die Abfälle bleiben in ihrer Zusammensetzung (hoher Anteil organischer Substanzen) weitgehend gleich.
Somit kann die geübte Praxis, deren Sinnhaftigkeit im Übrigen auch die Antragstellerin nicht in Zweifel gezogen hatte, fortgeführt werden.
Praxistipp
Das Verfahren zeigt die Komplexität der rechtlichen und technischen Fragen bei der Abfallentsorgung und die Bedeutung einer korrekten Abfallschlüsselung für die Vergabe öffentlicher Aufträge. Deshalb sollte die Frage der Abfallschlüsselung immer sorgfältig überdacht und in Zweifelsfällen durch Abfallanalysen und eine rechtliche Beurteilung im Vergabevermerk dokumentiert werden.
Hinweis der Redaktion
Der Autor hat in diesem Nachprüfungsverfahren den Antragsgegner vertreten.

Martin Adams, Mag. rer. publ.
Herr Martin Adams, Mag. rer. publ. ist Rechtsanwalt und Inhaber der Kanzlei _teamiur_Rechtsanwälte, Mannheim. Herr Adams berät bundesweit öffentliche Auftraggeber bei Ausschreibungen und in vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren, insbesondere im Bereich der Abfallwirtschaft. Darüber hinaus veröffentlicht er regelmäßig Beiträge in entsprechenden Fachmedien und tritt als Referent in Fachseminaren auf.
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