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Zitierangaben: Vergabeblog.de vom 29/09/2025 Nr. 72242

Der „Defence Readiness Omnibus“ der EU-Kommission

Am 19.03.2025 legte die EU-Kommission das „Weißbuch zur europäischen Verteidigung – Bereitschaft 2030“ vorgelegt. Darin legte sie die notwendigen Schritte für den Aufbau der europäischen Verteidigung fest. Zur Umsetzung hat die Kommission nun den „Defence Readiness Omnibus“ vorgelegt. Er umfasst sechs Rechtsakte und Instrumente zur Optimierung von Beschaffung, Genehmigung, Berichterstattung, Wettbewerb und Zugang zu Finanzmitteln im Verteidigungssektor. Auch die Richtlinie 2009/81/EG soll in wesentlichen Punkten angepasst werden.

Wieso eigentlich „Omnibus“? Der Begriff beschreibt ein Gesetzgebungsinstrument, das viele verschiedene Änderungen an unterschiedlichen bestehenden EU-Rechtsakten in einem einzigen Vorschlag bündelt. Anstatt für jede Änderung eine eigene Richtlinie oder Verordnung vorzuschlagen, packt die Kommission zahlreiche Anpassungen in ein „Omnibus-Paket“.

Die Änderungen betreffen vor allem das Genehmigungs-, Umwelt- und Chemikalienrecht sowie das Außenwirtschaftsrecht, das Beihilfen- und Wettbewerbsrecht und das Vergaberecht. Denn der Omnibus enthält auch einen Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 2009/81/EG vom 13.07.2009 über die Vergabe verteidigungs- und sicherheitsspezifischer Aufträge. Wir erinnern uns: Mit der Richtlinie weitete die EU das Vergaberecht erstmals umfassend auf öffentliche Aufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit aus. Nachdem die Bundesrepublik die Richtlinie erst mit einiger Verspätung umsetzte (s. Soudry, Vergabeblog.de vom 23/04/2013 Nr. 15188), ist sie – abgesehen von einigen kleineren Anpassungen – seitdem weitgehend unverändert in Kraft. Das lässt sich auch gut an der Handschrift des Gesetzgebers erkennen. Im Vergleich zu den Richtlinien aus dem Jahr 2004 enthielt die Richtlinie bzw. ihre Umsetzung in der VSVgV moderne Regelungen wie etwa die „abschließende Nachweisliste“ aus der VOL/A 2009, spezifische Normen zu Krisenbeschaffungen oder dem Umgang mit Verschlusssachen sowie neuartige Zuschlagskriterien wie die „Lebenszykluskosten“ oder die „Versorgungssicherheit“. Gegenüber dem Richtlinienpaket von 2014 fiel sie dann wieder zurück und wirkte teilweise veraltet (Nachforderung nur fehlender, nicht fehlerhafter Unterlagen nach § 22 Abs. 6 VSVgV, keine Geltung der Innovationspartnerschaft gem. § 146 GWB, keine Regelungen über Änderungen laufender Verträge).

Nun soll die Richtlinie 2009/81/EG also ein Update erhalten. Neben dem Abbau statistischer Berichtspflichten geht es dabei insbesondere um folgende Neuerungen:

1. Anhebung der Schwellenwerte

Zunächst sollen die Schwellenwerte für EU-weite Vergabeverfahren deutlich angehoben werden. Der Schwellenwert für Liefer- und Dienstleistungsaufträge soll von 443.000 Euro auf 900.00 angehoben werden. Für Bauaufträge soll er künftig bei 7 Mio. Euro liegen (bisher 5.538.000 Euro).

2. Neue Verfahrensarten

Künftig sollen Auftraggeber auch das offene Verfahren wählen können. In der ursprünglichen Richtlinie wurde es noch ausgeklammert, da man der Auffassung war, die Offenheit des Verfahrens stelle per se einen Widerspruch zu Verteidigungs- und Sicherheitsaufträgen dar. Dagegen hat sich die Überzeugung durchgesetzt, dass nicht alle Vergabeverfahren einer besonderen Geheimhaltung oder Zugangsbeschränkung bedürfen. Aus demselben Grund soll auch das dynamische Beschaffungssystem nach § 120 Abs. 1 GWB für marktgängige Leistungen anwendbar sein.

Die Mindestzahl der in einem nichtoffenen Verfahren zu beteiligenden Unternehmen soll von drei auf fünf erhöht werden, sofern eine Beschränkung überhaupt vorgesehen ist. Zudem soll in Zukunft auch die Innovationspartnerschaft nach § 119 Abs. 7 GWB in modifizierter Form zur Verfügung stehen. Für die direkte Beschaffung innovativer Produkte oder Dienstleistungen, die aus F&E-Projekten hervorgehen, soll ein vereinfachtes Verfahren eingeführt werden.

Schließlich soll die zeitlich befristete Möglichkeit geschaffen werden, gemeinsame Beschaffungen identischer und marktverfügbarer Verteidigungsgüter durch mindestens drei Mitgliedstaaten im Wege eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung abzuwickeln.

3. Gemeinsame Beschaffung mehrerer Mitgliedstaaten

Es wird eine vorübergehende Ausnahmeregelung eingeführt, die es den Mitgliedstaaten ermöglicht, das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung für gemeinsame Beschaffungen, einschließlich der Beschaffung von Standardprodukten, anzuwenden. Diese Regelung gilt für die Beschaffung identischer Verteidigungsgüter oder nur geringfügig modifizierter Produkte durch mindestens drei Mitgliedstaaten.

4. Rahmenvereinbarungen

Die Höchstlaufzeit von Rahmenvereinbarungen soll von sieben auf zehn Jahre ausgeweitet werden. Das soll Mitgliedstaaten ermöglichen, längerfristige Partnerschaften mit der Industrie einzugehen und ihren Bedarf an Verteidigungsgütern mit größerer Sicherheit zu planen.

5. Vertragsänderungen

Art. 49a des Entwurfs enthält eine Regelung über Auftragsänderungen, die weitgehend dem geltenden § 132 GWB entspricht.

Fazit

Die vorgeschlagenen Änderungen sind keine vollständige Neufassung, sondern eher eine Frischzellenkur für die Richtlinie 2009/81/EG. Mit punktuellen Anpassungen soll der Rechtsrahmen für die Vergabe verteidigungs- und sicherheitsspezifischer öffentlicher Aufträge, teils zeitlich begrenzt, flexibilisiert werden. Die Regelungen wirken überzeugender und zielführender als der Versuch der Bundesregierung, mit dem jüngsten Referentenentwurf eines BwPBBG (hierzu Soudry, Vergabeblog.de vom 01/07/2025 Nr. 71496) das Vergaberecht durch rechtsstaatlich bedenkliche Einschnitte wie die fortwährende Verkürzung des Rechtsschutzes und die Hinnahme rechtswidriger Vertragsschlüsse zu vereinfachen.

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Dr. Daniel Soudry, LL.M.

Herr Dr. Daniel Soudry ist Fachanwalt für Vergaberecht und Partner der Sozietät SOUDRY & SOUDRY Rechtsanwälte (Berlin). Herr Soudry berät bundesweit öffentliche Auftraggeber und Unternehmen bei Ausschreibungen, in vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren und im Öffentlichen Wirtschaftsrecht. Darüber hinaus publiziert er regelmäßig in wissenschaftlichen Fachmedien zu vergaberechtlichen Themen und tritt als Referent in Fachseminaren auf.

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