Es zählt das wirtschaftlichste Angebot, nicht das billigste, wie jeder weiß – nicht immer: Ein Landkreis in Sachsen-Anhalt hatte bei einer EU-weiten Ausschreibung der Hausmüllentsorgung das Kriterium “niedrigster Preis” zum alleinigen Zuschlagskriterium gekürt. Das OLG Naumburg entschied (Beschluss v. 05.12.2008, 1 Verg 9/08), dass auch dies vergaberechtskonform sein kann.
Im vorliegenden Fall machte daher ein sich um den Auftrag bemühendes Entsorgungsunternehmen im Wege eines Nachprüfungsverfahrens die Verletzung von § 25 Nr. 3 VOL/A geltend. Dieser lautet:
Der Zuschlag ist auf das unter Berücksichtigung aller Umstände wirtschaftlichste Angebot zu erteilen. Der niedrigste Angebotspreis allein ist nicht entscheidend.
Die Vergabekammer (VK) Sachsen-Anhalt gab ihm zunächst recht, wobei sie sich jedoch offenbar etwas schwer tat: Der Auftraggeber hätte jedenfalls die Entscheidung, den Preis als einziges Zuschlagskriterium heranzuziehen, im Vergabevermerk begründen und dokumentieren müssen, so die VK. Daran fehle es aber vorliegend. Die VK ordnete daher die Aufhebung der Ausschreibung an.
Die sofortige Beschwerde des Landkreises zum OLG Naumburg drehte jedoch das Blatt: Das Gericht wies die Entscheidung der VK zurück. Die Vergabestelle habe weder die geforderte Begründung, noch deren Dokumentation vorzuweisen gehabt. Denn aufgrund des Auftragsgegenstandes – der Hausmüllentsorgung – sei im vorliegenden Fall ein einheitliches Leistungsniveau der Bieter zu erwarten gewesen, so das Gericht. Mangels anderer Differenzierungen in der Art und Weise der Leistungserbringung liege es daher durchaus im Ermessen der Vergabestelle, den Preis als einziges Zuschlagskriterium zu wählen. Zwar lasse der Wortlaut von § 25 Nr. 3 VOL/A auf anderes schließen. Allerdings bedürfte dieser nach Ansicht des Gerichts der Auslegung: Denn systematisch könne § 25 VOL/A nicht im Widerspruch zum GWB stehen und könne daher immer dann keine Anwendung finden, wenn der Preis von der Vergabestelle zulässigerweise als einziges Zuschlagskriterium ausgewählt worden sei.
Dabei betonte das OLG, dass es sich vorliegend im Grunde gar nicht primär um eine vergaberechtliches, sondern vielmehr um ein haushaltsrechliches Problem handele. Sofern diesbezüglich Verstöße im Vergabevermerk erkennbar seien, könne der Bieter hierauf aber keine keine subjektiven Rechte stützen.
Marco Junk
Der Jurist Marco Junk gründete im Jahr 2007 den Vergabeblog und 2010 gemeinsam mit Dipl.-Kaufmann Martin Mündlein das Deutsche Vergabenetzwerk (DVNW). Er begann seine berufliche Laufbahn im Jahr 2004 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer und war danach als Bereichsleiter Vergaberecht beim Digitalverband bitkom tätig. Im Jahr 2011 leitete er die Online-Redaktion des Verlags C.H. Beck. Von 2012 bis 10/2014 war er Mitglied der Geschäftsleitung des bitkom und danach bis 10/2021 Geschäftsführer des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. Seit 2022 ist Marco Junk zudem als Leiter Regierungsbeziehungen für Eviden tätig. Seine Beiträge geben ausschließlich seine persönliche Meinung wieder.
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