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Zitierangaben: Vergabeblog.de vom 14/08/2016 Nr. 26968

Verhandlungen nicht zu Ende geführt: Loyalitätsklausel kann zu Schadensersatzansprüchen führen (LG Landau in der Pfalz, Urt. v. 31.05.2016 – 2 I 216/14)

EntscheidungFührt ein öffentlicher Auftraggeber Verhandlungen über die Bedingungen der Mitbenutzung durch duale Systeme nach der VerpackV nicht zu Ende, kann dies zu einem Schadensersatzanspruch des beauftragten PPK-Sammlers führen.  Ausschreibungskonzeption, die eine Bezahlung nur der Sammelkosten für kommunale Druckerzeugnisse vorsieht, aber eine Verwertung der gesamten PPK-Fraktion zu Gunsten eines Landkreises vorsieht, ist dennoch rechtlich zulässig.

Nachdem der BGH mit Urteil vom 16.10.2015 (V ZR 240/14) das Eigentum an den von Kommunen erfassten Verkaufsverpackungen aus Papier, Pappe und Kartonagen (PPK) beendete, ergänzt nun das LG Landau die Rechtsprechung zum fortwährenden Streit um die Abwicklung kommunal erfasster Verkaufsverpackungen aus PPK. Dabei hält das Gericht eine vertragliche Regelung, wonach der private Sammler zwar 100 % PPK für die Kommune sammeln soll, aber lediglich für den kommunalen Anteil vergütet wird, für rechtlich zulässig. Es leitet jedoch einen Schadensersatzanspruch des sammelnden Unternehmens gegen den beklagten Landkreis infolge der Verletzung einer vertraglich vereinbarten Loyalitätsklausel ab.

Sachverhalt

Der beklagte Landkreis schrieb im Jahr 2013 die Sammlung von PPK aus. Der Landkreis teilte in der Ausschreibung mit, dass er sich als Eigentümer der gesamten Sammelfraktion, also sowohl des kommunalen als auch des Anteils aus Verkaufsverpackungen. sehe. Er verlangte daher die Übergabe der kompletten PPK-Sammelmenge an ihn. Weiter teilte er in den Vergabeunterlagen mit, dass etwaige Auseinandersetzungen um das Eigentum an den PPK-Verkaufsverpackungen außerhalb der Ausschreibung mit den Betreibern der dualen Systeme geregelt werden. In einer weiteren allgemein üblichen Vertragsklausel verpflichteten sich die Vertragsparteien zur Einhaltung der kaufmännischen Loyalität.

Zudem wurde vereinbart, dass der Landkreis die Sammelkosten nur in Höhe des kommunalen (Volumen-) Anteils trägt, da nur insoweit eine kreislaufwirtschaftsrechtliche Zuständigkeit gegeben ist. Die Vergütung für die Sammlung des Anteils der PPK-Verkaufsverpackungen sollte sich der erfolgreiche Bieter daher bei den Systembetreibern im Sinne der Verpackungsverordnung holen. In den ersten Monaten der Vertragslaufzeit erhielt das klagende Sammelunternehmen sodann einigen Systembetreibern eine entsprechende Vergütung.

In den Gesprächen zwischen den Systembetreibern und dem klagenden Sammelunternehmen verlangten die Systembetreiber zumindest eine Rückvergütung auf den jeweils auf sie anfallenden PPK-Anteil. Das Sammelunternehmen wandte sich daher an den Landkreis mit dem Ziel, eine Lösung zwischen allen Beteiligten herbeizuführen. Da die Rechtslage völlig unklar war, ließ sich der Landkreis auf entsprechende Verhandlungen zunächst ein, beendete diese jedoch dann final unter dem Eindruck der ersten zivilgerichtlichen Urteile, die den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern das Eigentum auch an den PPK-Verkaufsverpackungen zusprach.

Die Systembetreiber stellten daraufhin die Zahlungen an das klagende Sammelunternehmen ein. Dieses verklagte daraufhin den Landkreis zunächst auf Zahlung eines Entgelts auch für die Sammlung des PPK-Verkaufsverpackungsanteils und hilfsweise auf Schadensersatz für den entgangenen Gewinn infolge des Zahlungsausfalls durch die Systembetreiber.

Das Landgericht lehnte einen Entgeltanspruch ab und verwies auf die klare vertragliche Regelung, wonach eben nur die Sammlung des kommunalen Anteils vergütet werde. Diese Regelung sei nicht zu beanstanden. Dann leitete das Gericht jedoch einen Schadensersatzanspruch aus der genannten Loyalitätsklausel in Verbindung mit einer weiteren vertraglichen Klausel, wonach sich der Landkreis verpflichte habe, an einer Einigung mit den Systembetreibern mitzuwirken, ab.

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung des Landgerichts unterstreicht ebenso wie das bereits erwähnte Urteil des BGH einmal mehr, dass die mit der VerpackV beabsichtigte Ordnung der Entsorgung von Verkaufsverpackungen eher zu einer hohen Verunsicherung in der kommunalen und privaten Entsorgungsfamilie führt als zu einer Klärung beiträgt. Einerseits wird den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern durch kartellrechtliche Entscheidungen vorgegeben, die Mitbenutzungsvereinbarung dem operative tätigen PPKJ-Sammler und den dualen Systemen zu überlassen, andererseits kann eine mangelnde Beteiligung wie in dem vom Landgericht Landau in der Pfalz verhandelten Sachverhalt zu Schadensersatzansprüchen des privaten Sammlers führen. Dies jedoch nur dann, wenn sich und das gilt es hervorzuheben der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger zu einer loyalen Zusammenarbeit vertraglich bindet.

Ob es tatsächlich ein Pflichtverstoß ist, wenn aufgrund neuer Rechtsprechung Vergleichsverhandlungen abgebrochen werden, steht auf einem anderen Blatt.

Ebenso erwähnenswert ist es aber, dass das Landgericht folgerichtig einen vertraglichen Anspruch auf eine 100%-ige Vergütung des privaten Sammlers deutlich verwehrt hat. Genau wie für den Auftraggeber gilt eben auch für den Auftragnehmer: pacta sunt servanta.

Wird die anteilige Vergütung der Sammelleistung deutlich im Vertrag genannt und darauf hingewiesen, dass die Werthaltigkeit von Mitbenutzungsverträgen in der Risikosphäre des Auftragnehmers liegt, so kann der Auftragnehmer anschließend nicht auf dem Wege eines Sekundäranspruchs (Ausn.: Loyalitätsklausel) gegen die Kommune ein Entgelt für die Sammlung des PPK-Verkaufsverpackungsanteils geltend machen. Wie das LG Landau in der Pfalz in seinem Urteil ausdrücklich betont, bewegt sich eine solche Regelung im Rahmen der Privatautonomie.

Der Auto hat in diesem Verfahren, gegen das keine Berufung eingelegt wurde, den beklagten Landkreis vertreten.

3DVT-450-160

Praxistipp

Das Urteil kann zur Beantwortung grundsätzlicher Fragen im Zusammenhang mit dem fortwährenden Streit um die Verkaufsverpackungen aus PPK nicht herangezogen werden, da das Gericht den letztlichen Schadensersatzanspruch aus einer individuellen einzelvertraglichen Regelung abgeleitet hat.

Andererseits erklärt das Gericht aber auch deutlich, dass eine vertragliche Regelung, wonach eine Kommune zwar 100% der Verkaufsverpackungen sammeln lässt, aber nur den kommunalen Anteil vergütet, grundsätzlich zulässig ist. Der Sammler muss sich in diesem Fall für den restlichen Anteil um eine Vergütung seitens der Systembetreiber bemühen.

Andere öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger, die eine ähnliche Ausschreibungskonzeption gewählt haben, brauchen sich daher um den Fortbestand ihrer Regelung keine Sorgen zu machen.

Martin Adams, Mag. rer. publ.

Herr Martin Adams, Mag. rer. publ. ist Rechtsanwalt und Inhaber der Kanzlei _teamiur_Rechtsanwälte, Mannheim. Herr Adams berät bundesweit öffentliche Auftraggeber bei Ausschreibungen und in vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren, insbesondere im Bereich der Abfallwirtschaft. Darüber hinaus veröffentlicht er regelmäßig Beiträge in entsprechenden Fachmedien und tritt als Referent in Fachseminaren auf.

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