Der Sinn und Zweck der Vorlage von Zertifikaten im Vergabeverfahren – nämlich die Vereinfachung der Eignungsprüfung – kommt nur dann zum Tragen, wenn der Auftraggeber tatsächlich bloß eine rein formale Prüfung dahingehend anstellen muss, ob das abgeforderte Zertifikat vorliegt und auf den jeweiligen Bieter ausgestellt ist.
Die Forderung der Vorlage von Zertifikaten kann aus Sicht des Auftraggebers eine Vereinfachung der Eignungsprüfung im Rahmen des Vergabeverfahrens darstellen. Auf diese Weise kann er die Eignung der Bieter abprüfen und die Qualität der Auftragsdurchführung sicherstellen, ohne selbst aufwendige Ermittlungen und Analysen bezüglich interner Unternehmensprozesse und -abläufe anstellen zu müssen. Dies gilt insbesondere auch bei Zertifikaten, die Aspekte des Qualitäts- und Umweltmanagements als Eignungskriterien im Sinne des § 46 Abs. 3 Nr. 3 und 7 VgV betreffen. Das Prüfungsverfahren zur Einhaltung der einschlägigen DIN-Normen ist aufwändig und erfordert eine entsprechende Sachkunde. Vor diesem Hintergrund kann die Prüfung, ob ein solches Zertifikat im Wege der Rechtsnachfolge im Rahmen einer Umwandlung nach dem Umwandlungsgesetz (UmwG) von einer übertragenden Gesellschaft auf die übernehmende Gesellschaft übergehen kann, von dem Auftraggeber in der Regel nicht geleistet werden.
§§ 46 Abs. 3 Nr. 3 und 7, 48 Abs. 1, 49, 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV, §§ 123 Abs. 3, 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG
Sachverhalt
Die Antragsgegnerin führte ein offenes Verfahren zur Beschaffung von Dienstleistungen nach der VgV durch. Als Nachweis über die Einhaltung von Qualitäts- bzw. Umweltmanagementmaßnahmen waren von den Bietern mit dem Angebot ein aktuelles Zertifikat nach DIN EN ISO 9001:2015 sowie ein aktuelles Zertifikat nach DIN ISO 14001:2015 vorzulegen. Die beigeladene obsiegende Bieterin legte zwar beide Zertifikate vor, diese lauteten jedoch auf ein anderes Unternehmen U. Die Bieterin führte in einem Begleittext dazu aus, sie sei zuvor durch die Ausgliederung eines Geschäftsbereichs aus dem Unternehmen U nach dem UmwG entstanden. Die Antragstellerin griff das Verfahren unter anderem mit der Begründung an, der Beigeladenen fehle die Eignung, da sie sich wegen des infolge der Ausgliederung eingetretenen Bieteridentitätswechsels nicht auf das Zertifikat berufen könne.
Die Entscheidung
Das Angebot der B habe nicht bezuschlagt werden dürfen, da sie die von der Antragsgegnerin aufgestellten Eignungsvorgaben hinsichtlich der Zertifikate nicht erfüllt habe. Daher sei ihr Angebot jedenfalls nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV auszuschließen gewesen.
Die Forderung der Antragsgegnerin nach Vorlage der Zertifikate sei zulässig. Bei der Frage, ob ein Unternehmen ein Qualitäts- bzw. Umweltmanagement im Sinne der DIN EN ISO 9001 bzw. 14001 eingerichtet hat, handele es sich nicht um eine einfach festzustellende Sachverhaltsbeschreibung. Ein Auftraggeber verfüge nicht über die erforderliche Sachkunde, die vollständige Umsetzung der Anforderungen der DIN 9001 bzw. 14001 selbst zu beurteilen.
Diese geforderten Nachweise habe die Beigeladene nicht erbracht. Bei einer Ausgliederung nach § 123 Abs. 3 UmwG könne nur von einer partiellen Gesamtrechtsnachfolge gesprochen werden, da die übertragene Gesellschaft bestehen bleibe. Bei der streitgegenständlichen Zertifizierung handele es sich jedoch um einen nicht durch reines Rechtsgeschäft übertragbaren Umstand.
Das Zertifikat werde erstellt, nachdem ein Unternehmen daraufhin geprüft worden sei, ob es seine internen Strukturen anhand der Vorgaben der beiden DIN-Normen ausgerichtet habe. Gegenstand der Prüfung sei also ein Unternehmen. Werde jedoch ein Gesellschaftsteil im Wege der Ausgliederung auf ein anderes Unternehmen übertragen, das andere Gesellschafter hat, so sei jedenfalls nicht selbsterklärend, dass dieses neue Unternehmen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge das Zertifikat, welches auf das fortbestehende übertragende Unternehmen ausgestellt ist, erbe. Denn die Erteilung des Zertifikates sei an unternehmensinterne Strukturen und Abläufe geknüpft, deren Kompatibilität mit den DIN-Normen der Zertifizierer prüfe und bestätige. Herr über das Zertifikat sei danach der Zertifizierer.
Hinzuweisen sei auch auf den Zweck der verlangten Zertifizierung, welcher der Antragsgegnerin eigene aufwändige Prüfungen ersparen soll. Für ein Verständnis des vorgelegten Zertifikates dahingehend, dass sich dieses nunmehr auf die Beigeladene beziehe, wären weitere tatsächliche und rechtliche Klärungen erforderlich gewesen, welche die Antragsgegnerin hätte vornehmen müssen und die nichts mit dem Vergaberecht, sondern mit Fragen des Umwandlungsrechts und der Rechtsnachfolge zu tun hätten. In tatsächlicher Hinsicht hätte die Antragsgegnerin insbesondere den Ausgliederungsvertrag daraufhin zu überprüfen, ob und ggf. welche Regelung er für die Zuordnung des Zertifikates treffe. Auch hätte die Antragsgegnerin zu prüfen gehabt, ob die damals zertifizierten Umstände nach der Ausgliederung bei der Bieterin unverändert fortbestünden. In rechtlicher Hinsicht hätte die Antragsgegnerin zu prüfen, ob ein Zertifikat im Rahmen der aus der Ausgliederung resultierenden (partiellen) Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG überhaupt übergehen könne. Gerade dafür diene aber das auch formal auf einen Bieter ausgestellte Zertifikat, denn derartige Prüfungen seien für einen öffentlichen Auftraggeber nicht leistbar und auch nicht geschuldet. Schon die Frage, ob ein Zertifikat im Rahmen einer Ausgliederung auf ein anderes Unternehmen übergehen könne, erfordere insoweit vom Auftraggeber nicht zu verlangenden Prüfungsaufwand.
Rechtliche Würdigung
Zu Recht geht die Vergabekammer davon aus, dass die Beigeladene gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV von dem Verfahren auszuschließen war, da sie die aufgestellten Eignungsvorgaben nicht erfüllt hat. Bei der Frage der Rechtsnachfolge handelt es sich um eine einzelfallbezogene Fragestellung. Die Antragsgegnerin war jedoch allein schon mangels Vorliegen der maßgeblichen tatsächlichen Informationen nicht in der Lage, diese Frage selbsttätig zu beantworten. Eine solche Prüfung ist dem Auftraggeber angesichts des damit einhergehenden Aufwands auch nicht zuzumuten. Entscheidet sich der Auftraggeber im Rahmen der Eignungsprüfung für die Pflicht zur Vorlage von Zertifikaten – insbesondere auch um einen zu hohen Prüfungsaufwand zu vermeiden -, darf er sich nicht zur Zertifizierungsstelle „aufschwingen“ und ohne die erforderliche Sachkunde und die erforderlichen Untersuchungen beurteilen, ob die ausgegliederte Gesellschaft als zertifiziert anzusehen ist.
Praxistipp
Bieter, die durch eine Ausgliederung aus einem Unternehmen entstanden sind und für sich auch nach der Ausgliederung eine bestimmte Zertifizierung in Anspruch nehmen möchten, ist nach dem Beschluss der Vergabekammer zu empfehlen, eine Umschreibung des Zertifikats bei der zertifizierenden Stelle zu erwirken. Auf diese Weise läuft der Bieter nicht Gefahr, von dem Vergabeverfahren ausgeschlossen zu werden. Auch für den Auftraggeber bietet dies Vorteile. Er hat eine sichere und handfeste Grundlage, auf die er seine Eignungsprüfung stützen kann.
Kontribution
Der Beitrag wurde gemeinsam mit Frau Rechtsanwältin Elina Kohl verfasst.
Elina Kohl
Die Autorin Elina Kohl ist Rechtsanwältin bei LLR – Legerlotz Laschet Rechtsanwälte PartG mbB in Köln. Ihr Tätigkeitsschwerpunkt liegt in der Beratung und Vertretung von öffentlichen Auftraggebern und Bietern in allen Fragen des Vergaberechts.
Bastian Gierling
Bastian Gierling ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht bei LLR – Legerlotz Laschet Rechtsanwälte PartG mbB in Köln. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der Beratung und Vertretung von öffentlichen Auftraggebern in allen Fragen des Vergaberechts sowie von Unternehmen und Gebietskörperschaften im Öffentlichen Bau- und Planungsrecht. Dabei erstreckt sich sein Tätigkeitsfeld auch auf die baubegleitende Rechtsberatung bei großen Bau- und Infrastrukturprojekten der öffentlichen Hand.
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