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Zitierangaben: Vergabeblog.de vom 10/07/2023 Nr. 53852

Die Forderung zur Benennung von Referenzen definiert konkludent die materiellen Eignungskriterien (VK Hessen, Beschl. v. 25.05.2023 – VK VOB-96e01.02/14-2023/1)

EntscheidungWie die Anforderungen an die Referenzen im Einzelnen zu verstehen sind, ist aus der Sicht eines durchschnittlich erfahrenen Bieters im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung der gesamten Vergabeunterlagen zu ermitteln. Dabei ist zu berücksichtigen, was Hauptgegenstand der ausgeschriebenen Dienstleistung ist. Nur darauf dürfen sich die Referenzanforderungen beziehen. Die Benennung eines Nachunternehmers für Teilleistungen kann gleichzeitig als Eignungsleihe verstanden werden. Beurteilt man das anders, müsste der Zuschlagsprätendent zur Nachbenennung eines Eignungsverleihers aufgefordert werden.

§§ 36, 42, 47 VgV

Sachverhalt

Die Vergabestelle schrieb den Transport und die Verwertung von Bioabfällen aus der haushaltsnahen Erfassung in einem offenen Verfahren aus.

Als Nachweis der Eignung forderte die Vergabestelle untern anderem die Angabe von Referenzen wie folgt:

„Es sind zwei unternehmensbezogene Referenzen über vergleichbare für kommunale Auftraggeber erbrachte Leistungen an entsprechender Stelle in der EEE [siehe jeweils den nachfolgenden Hinweis in eckigen Klammern] anzugeben:

  • Auftraggeber (Firma) [Empfänger]
  • Zuständige Abteilung/Bereich [Empfänger]
  • Umfang der erbrachten Leistung [Betrag in EUR]
  • Ausführungszeitraum [Anfangsdatum; Enddatum]
  • Kurze Beschreibung der erbrachten Leistung [Beschreibung]

Die Referenzen müssen jeweils mindestens folgende Kriterien erfüllen, dazu hat der Bieter für jede Referenz den Leistungszeitraum und den Umfang (Tonnage) im Feld Beschreibung mit anzugeben:

  • die erbrachten Leistungen müssen in Bezug auf die leistungsgegenständliche Tonnage ein ähnliches Volumen (mindestens jedoch 50 % der Tonnage) aufweisen,
  • über mindestens 3 Jahre erbracht worden sein und
  • aus den letzten 5 Jahren stammen.

Einzelne Referenzen können in Summe betrachtet werden, wenn sie in den letzten fünf Jahren eine zeitliche Überlappung von mindestens 3 Jahren haben und in Summe mindestens 50 % der ausgeschriebenen Tonnage erreichen, sofern die Mindestkriterien nicht von einer einzigen Referenz erfüllt werden.“

Der Zuschlagsprätendent gab Referenzen für den Transport und die Verwertung von Grünschnitt an. Außerdem gab er für die Verwertungsleistungen einen Nachunternehmer an und legte von diesem eine Erklärung bei, dass dieser über eine entsprechende Verwertungsanlage und die notwendigen Kapazitäten verfügt.

Die heutige Bestandsauftragnehmerin und spätere Antragstellerin rügte die beabsichtigte Vergabeentscheidung. Sie vertrat die Auffassung, dass der Zuschlagsprätendent nicht über hinreichende Referenzen verfügt. Die entsprechende Rüge wies die Vergabestelle zurück, worauf die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens beantragte.

Die Entscheidung

Ohne Erfolg! Die Vergabekammer ist der Auffassung, dass der Zuschlagsprätendent im Hinblick auf den Transport von Bioabfällen seine Eignung durch eigene Referenzangaben nachgewiesen hat und für die Verwertungsleistungen einen Unterauftragnehmer heranziehen wird, der alle nach den Vergabeunterlagen erforderlichen Nachweise und Erklärungen vorgelegt hat.

Sie stellt hierbei zunächst klar, dass die angeforderten Referenzen streng genommen kein Eignungskriterium seien, da diese gemäß § 46 VgV grundsätzlich nur dem Beleg der zuvor aufgestellten Eignungskriterien dienen und diese nicht ersetzen können.

Allerdings definieren die Referenzen nach Ansicht der Vergabekammer konkludent die materiellen Eignungskriterien. Unter dieser Prämisse seien die Referenzanforderungen aus der Sicht eines durchschnittlich erfahrenen Bieters wie folgt zu verstehen:

  • Hauptgegenstand im Sinne der wesentlichen Dienstleistung sei der Transport des Bioabfalls zu einer vom Bieter selbst zu wählenden Verwertungsanlage. Eine solche Referenz habe der Zuschlagsprätendent vorgelegt.
  • Weiter weist die Vergabekammer darauf hin, dass der Zuschlagsprätendent auch dann seine Eignung nachgewiesen hätte, sollte man die Verwertungsleistung als Teil der Referenzanforderung begreife. Denn mit den vorgelegten Referenzen habe der Zuschlagsprätendent nachgewiesen, dass er technisch und organisatorisch in der Lage sein wird, die ausgeschriebene Leistung zu erfüllen.

Ergänzend weist die Vergabekammer noch auf zwei weitere Aspekte hin:

  1. Erstens sei anzunehmen, dass mit der Benennung des Unterauftragnehmers für die Verwertungsleistungen zugleich von einer Eignungsleihe im Sine des § 47 VgV auszugehen ist.
  2. Zweitens sei ein Ausschluss des Zuschlagsprätendenten auch dann nicht zwingend, wenn man vorliegend zunächst keine Eignungsleihe annehmen würde. Denn dann wäre die Vergabestelle verpflichtet gewesen, die Benennung eines Eignungsverleihers nachzufordern.

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung ist zu begrüßen, bestätigt sie doch die allgemeine Praxis, vor allem die Benennung von Referenzen als Eignungsnachweis zu verwenden. Auch der Ansatz, die genauen Anforderungen an die Referenzen durch Auslegung zu ermitteln, überzeugt. Dass die Benennung eines (geeigneten) Nachunternehmers im Zweifel gleichzeitig auch als Eignungsleihe zu verstehen ist, ist ebenfalls zutreffend. Die Nachbenennung als Eignungsverleiher wäre in meinen Augen eine bloße Förmelei.

Praxistipp

In unserer Beratungspraxis zeigt sich, dass oft zu wenig Sorgfalt bei der Definition der Referenzanforderungen an den Tag gelegt wird. Dabei trennen die Referenzanforderungen die Spreu vom Weizen. Geeignet oder nicht geeignet lautet hier die Frage. Deshalb muss man sich bei jeder Ausschreibung individuell überlegen, wie hoch man die Latte bei den Anforderungen an die Referenzen an hängen mag. Die Formulierung „Angaben von drei vergleichbaren Referenzen aus den letzten fünf Jahren“ ist vor diesem Hintergrund wenig geeignet.

Anmerkung

Der Verfasser hat in dem Nachprüfungsverfahren den Antragsgegner vertreten.

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Martin Adams, Mag. rer. publ.

Herr Martin Adams, Mag. rer. publ. ist Rechtsanwalt und Inhaber der Kanzlei _teamiur_Rechtsanwälte, Mannheim. Herr Adams berät bundesweit öffentliche Auftraggeber bei Ausschreibungen und in vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren, insbesondere im Bereich der Abfallwirtschaft. Darüber hinaus veröffentlicht er regelmäßig Beiträge in entsprechenden Fachmedien und tritt als Referent in Fachseminaren auf.

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