Gegenstand der Entscheidung des OLG Rostock ist insbesondere die Frage, ob das Kartellvergaberecht anwendbar ist, wenn die öffentliche Hand den Abschluss eines Pachtvertrags beabsichtigt, mit dem auch Leistungspflichten des Pächters abseits des originären Grundstücksgeschäfts verbunden sind. Des Weiteren behandelt die Entscheidung in prozessualer Hinsicht die Thematik, wann die Verweisung eines nicht statthaften Nachprüfungsantrags an ein ordentliches Gericht erfolgen kann.
Sachverhalt
Das Nationalparkamt Vorpommern veröffentlichte auf seiner Homepage für das Land Mecklenburg-Vorpommern eine Bekanntmachung zur Vorbereitung der Verpachtung landeseigener Flächen für einen Campingplatzbetrieb mit einem Pachtvertrag im Anwendungsbereich der Verordnung über die Festsetzung des Nationalparkes Vorpommersche Boddenlandschaft vom 12. September 1990 (im Weiteren: „VorpBoddenNatPV M-V“) für eine Vertragslaufzeit von 25 Jahren. Dabei enthält die VorpBoddenNatPV M-V unter anderem Vorgaben zum Betrieb des betreffenden Campingplatzes enthält.
In der Bekanntmachung beschrieb das Nationalparkamt Vorpommern das Vorhaben, gab Gelegenheit zur Bewerbung und wies auf die im weiteren Verfahren erforderliche Vorlage eines Entwicklungskonzepts sowie die Nichtgeltung von Vergaberecht hin. Der Bekanntmachung beigefügt waren weiterhin unter anderem Vorgaben zum Rückbauplan, zur Einzäunung, zur Instandhaltung der baulichen Anlagen und für die Reduzierung der Pachtfläche, einen Stellplatzplan mit Maßgaben zur Verkehrsführung, die Unterbringung von Freiwilligen im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes sowie Umweltauflagen, welche von dem späteren Pächter grundsätzlich zu berücksichtigen waren.
Nach einem ersten Gespräch erhielten die Bewerber eine Einladung zu einem Folgegespräch, der unter anderem eine Aufstellung des Auswahlgremiums und eine Auflistung der Zuschlagskriterien beigefügt waren. Hiernach wurde der „Angebotene Pachtpreis“ mit 20 % gewichtet und zu 80 % waren qualitative Kriterien, wie etwa ein einzureichendes Konzept zur Thematik „Nationalpark und Bildung, familienfreundliche Maßnahmen“, für die Zuschlagsentscheidung maßgeblich.
Nach Abschluss des Bewerberverfahrens wurde der Antragstellerin, welche auch die bisherige Betreiberin des Campingplatzes war, mitgeteilt, dass sie den dritten Platz erreicht habe und der Pachtvertrag daher nicht mit ihr geschlossen werde. In der Folge reichte die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer Mecklenburg-Vorpommern ein und vertrat insoweit die Auffassung, dass es sich bei dem zu vergebenden Pachtvertrag um eine Dienstleistungskonzession mit Folge handele, dass eine EU-weite Ausschreibung hätte erfolgen müssen. Insoweit führte sie aus, dass vom Verpächter zahlreiche pachtuntypische Leistungen verlangt würden und im Vordergrund des Pachtvertrags die Einräumung des Rechts zum Angebot von Campingleistungen stehe. Des Weiteren vertrat die Antragstellerin die Auffassung, dass das Land Mecklenburg-Vorpommern als Antragsgegner letztlich Campingdienstleistungen gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 6 VorpBoddenNatPV M-V beschaffen würde und damit im Bereich der Daseinsvorsorge tätig sei.
Die Vergabekammer Mecklenburg-Vorpommern hat den Nachprüfungsantrag wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen, da der streitgegenständliche Pachtvertrag nicht dem Kartellvergaberecht unterfalle. Des Weiteren liege nach Auffassung der erkennenden Kammer auch keine Dienstleistungskonzession vor, weil auf den Pächter kein relevantes Betriebsrisiko im Sinne des § 105 Abs. 2 Satz 2 GWB übergehe. Hinsichtlich des Beschaffungsbezugs hat die Kammer weiter ausgeführt, dass der betreffende Pachtvertrag vorliegend insbesondere den Betrieb eines Campingplatzes zum Gegenstand habe und dabei nach dem Gesamtgepräge der Vertragsbeziehungen für die öffentliche Hand die Geldeinnahme deutlich im Vordergrund stehe. Ferner hat die erkennende Kammer auch festgehalten, dass die Pflichten des Campingplatzbetreibers nicht als pachtuntypisch zu erachten seien.
Mit sofortiger Beschwerde hat sich die Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer Mecklenburg-Vorpommern gewendet.
Die Entscheidung
Ohne Erfolg! Denn der erkennende Senat lehnte bereits die Eröffnung des Vergaberechtswegs im vorliegenden Fall ab. So stelle der hier streitgegenständliche Pachtvertrag bereits keinen öffentlichen Auftrag dar, da der Antragsgegner als Verpächter eigene Leistungen anbiete und keine Leistungen beschaffe.
Der Senat führte weiter aus, dass ein Pachtvertrag als Gesamtauftrag im Sinne des § 111 GWB einen öffentlichen Auftrag darstellen kann, wenn ein öffentlicher Auftraggeber ein Grundstück zur Verfügung stellt und der Vertragspartner zusätzlich Bau- oder sonstige Verpflichtungen übernimmt, die im unmittelbaren wirtschaftlichen Interesse der öffentlichen Hand liegen. Insoweit müssten die weitergehenden vertraglichen Verpflichtungen des Pächters allerdings einen Beschaffungscharakter aufweisen und nicht – wie vorliegend – lediglich als Rahmenbedingung für die Verpachtung dienen. Zudem müssten diese Leistungen für sich genommen den jeweils einschlägigen EU-Schwellenwert erreichen oder überschreiten, um dem Kartellvergaberecht zu unterliegen. Diese Voraussetzungen waren in dem zu entscheidenden Fall nach Auffassung des OLG Rostock nicht erfüllt.
Vor dem Hintergrund der festgestellten Unzulässigkeit hat das OLG Rostock das Verfahren gemäß dem hilfsweise gestellten Antrag entsprechend § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG an zuständige Landgericht Stralsund verwiesen. Dabei hat der erkennende Senat auch erklärt, dass eine Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde und damit des Zuschlagsverbots nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB nicht in Betracht komme.
Rechtliche Würdigung
Die Entscheidung bestätigt die vergaberechtliche Praxis, dass ein zivilrechtlicher Pachtvertrag mit seinen charakteristischen Hauptleistungspflichten nicht ohne Weiteres als öffentlicher Auftrag oder Dienstleistungskonzession im Sinne der §§ 97 ff. GWB zu erachten ist (vgl. KG, Urteil vom 22.1.2015 – 2 U 14/14 Kart). Zwar handelt es sich bei einer Verpachtung grundsätzlich um eine Leistungserbringung durch die öffentliche Hand und die Verwertung eigenen Vermögens mit der Folge, dass dann eine Ausnahme vom Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts nach § 107 Abs. 1 Nr. 2 GWB vorliege. Für die Einordnung als Pachtvertrag ohne vergaberechtliche Relevanz ist es damit von Bedeutung, dass der Auftraggeber einen Vertragspartner auswählt, der für die öffentliche Hand deren Liegenschaften im eigenen wirtschaftlichen Interesse bewirtschaftet (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 16.09.2021 – 54 Verg 1/21). Auf der Basis dieser Maßgaben waren daher im hier zu entscheidenden Fall für die Beurteilung der Anwendbarkeit des Kartellvergaberechts die in der Bekanntmachung beschriebenen weiteren (Neben-)Leistungen zu beachten.
Die dabei beschriebenen Nebenleistungen, wie die Unterbringung von Freiwilligen im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes oder der Rückbau von baulichen Anlagen, sprechen zwar isoliert betrachtet zunächst für einen Dienstleistungs- oder Bauauftrag nach § 103 Abs. 4, 5 GWB. Vor dem Hintergrund, dass es sich hierbei um Nebenleistungen zum (vergaberechtsfreien) Pachtvertrag nach § 107 Abs. 1 Nr. 2 GWB handelte, stellte der Senat für die Prüfung einer Vergaberechtsfreiheit auf die Regelung des § 111 Abs. 3 GWB im Zusammenhang mit sog. gemischten Aufträgen ab. Dabei kam er zu der Auffassung, dass den betreffenden Nebenleistungen hinsichtlich des Gesamtvertrags kein prägender Charakter zukomme und nicht ansatzweise ersichtlich sei, dass diese ihrerseits im Sinn des § 111 Abs. 3 GWB die einschlägigen EU-Schwellenwerte erreichen oder überschreiten bzw. dem Vergaberecht unterliegen könnten.
In prozessualer Hinsicht stellt das OLG Rostock weiterhin fest, dass die Verweisung eines nicht statthaften Nachprüfungsantrags durch einen Vergabesenat an das Gericht eines anderen Rechtswegs grundsätzlich in entsprechender Anwendung des § 17a GVG in Betracht komme. Voraussetzung hierfür sei unter anderem, dass die Rechtsschutzsuchende – hier die Antragstellerin – ihr Ziel im anderen Rechtsweg weiterverfolgen will und weiterverfolgen kann. Dies hat die Antragstellerin vorliegend durch die entsprechenden Hilfsanträge klargestellt und im Rahmen des Verfahrens auch bekräftigt, den streitgegenständlichen Vertragsschluss verhindern zu wollen.
Praxistipp
Bei Grundstücksgeschäften der öffentlichen Hand handelt es sich um einen vergaberechtlichen Dauerbrenner, der in diversen Ausgestaltungen in Erscheinung treten kann. Dabei besteht mit Blick auf die vergaberechtliche Rechtsprechung grundsätzlich das Risiko, dass sich diese Grundstücksgeschäfte erst auf den zweiten Blick als nicht mehr „ohne Weiteres“ vergaberechtsfrei nach § 107 Abs. 1 Nr. 2 GWB herausstellen, wie zunächst angenommen.
Vor diesem Hintergrund verdeutlicht die Entscheidung des OLG Rostock, dass auch bei einem Auftrag, der auf den auf den Abschluss eines Pachtvertrags abzielt, darauf zu achten ist, welche weiteren (Neben-)Leistungen von diesem umfasst sind. Denn auch wenn der erkennende Senat hier entschieden hat, dass der gegenständliche Pachtvertrag nicht dem Kartellvergaberecht unterliegt, finden sich in der vergaberechtlichen Rechtsprechung ebenfalls Entscheidungen, welche die Anwendung des Kartellvergaberechts beim Abschluss eines Pachtvertrags über ein Grundstück annehmen: So kam beispielsweise das OLG München in einer Entscheidung aus dem Jahr 2013 (Beschluss vom 13.06.2013 – Verg 1/13) zu dem Ergebnis, dass der Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts eröffnet ist, wenn zum einen die Leistung des Auftraggebers die Zurverfügungstellung der Grundstücke im Wege eines Erbbaurechts und die Nutzungseinräumung ist und der Auftragnehmer zum anderen die Verwirklichung des Bauvorhabens zu erbringen sowie bestimmte Nutzungsrechte für den Auftraggeber einzuräumen hat. Dabei spielen vergaberechtliche Abgrenzungsfragen insbesondere im Bereich des sog. Bestellbaus eine Rolle (vgl. nur EuGH, Urteil vom 22. April 2021 – Rs. C-537/19, „Wiener Gate 2“).
Doch auch wenn ein vergaberechtsfreies Grundstücksgeschäft vorliegt, können regelmäßig weitere zu beachtende Maßgaben aus den Bereichen des Beihilfe- und / oder Kommunalrechts bei der verfahrensrechtlichen Ausgestaltung zu beachten sein. Dies kann etwa die Erbbaurechtsvergabe zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums oder die Bereitstellung von Flächen der öffentlichen Hand für die Errichtung von Windenergieanlagen betreffen.
Alexander Pustal
Der Autor ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Vergaberecht und Assoziierter Partner der Wirtschaftskanzlei Görg Rechtsanwälte in Frankfurt am Main. Er berät die öffentliche Hand sowie private Unternehmen im Bereich Öffentliches Wirtschaftsrecht und Vergabe. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen nachhaltige Beschaffung, Kreislaufwirtschaft und Public Private Partnerships.
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