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Erforderliche Vorbereitungsmaßnahmen stehen Vergabereife nicht entgegen (VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 07.08.2017 – 1 VK 26/17 )

Öffentliche Auftragsvergaben stehen häufig unter großem zeitlichen Druck. Dieser Zeit- und Termindruck entsteht bereits durch die relativ lange Verfahrensdauer europaweiter Ausschreibungsverfahren. Hinzu kommt, dass öffentliche Auftraggeber im Zeitpunkt der Auftragsbekanntmachung den Bietern sämtliche Unterlagen vollständig zur Verfügung stellen müssen. Mit Blick auf die Herstellung der Vergabereife ist es außerdem erforderlich, alle rechtlichen Voraussetzungen (z.B. behördliche Genehmigungen) zu schaffen, damit die ausgeschriebenen Leistungen wie vorgesehen rechtzeitig ausgeführt werden können. Zu dem skizzierten Spannungsverhältnis zwischen rechtzeitiger Einleitung des Vergabeverfahrens einerseits und den Anforderungen des Grundsatzes der Vergabereife andererseits hat vor kurzem die Vergabekammer Baden-Württemberg aussagekräftige Feststellungen getroffen (Beschluss vom 07.08.2017, 1 VK 26/17).

GWB §§ 121, 132 Abs. 1; VgV § 8

Leitsätze (nicht amtlich)

1. Dem Auftraggeber ist abzuverlangen, dass er vor der Ausschreibung alle rechtlichen Voraussetzungen schafft, damit innerhalb der in den Vergabeunterlagen genannten Fristen mit der ausgeschriebenen Leistung begonnen werden kann.

2. Ein noch zu bewerkstelligender Umbau einer vom Auftraggeber zu stellenden Umschlagstelle für PPK-Abfälle steht der Vergabereife nicht entgegen, wenn unter gewöhnlichen Umständen damit zu rechnen ist, dass die erforderliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung rechtzeitig erteilt wird. Es ist dem Auftraggeber nicht zuzumuten, unter solchen Umständen so lange zu warten, bis er alle vorbereitenden Maßnahmen erledigt hat.

Sachverhalt

Der Auftraggeber (AG) schrieb unter anderem die Sammlung von Papier, Pappe, Kartonagen (PPK) europaweit aus. Leistungsbeginn sollte am 01.01.2018 sein. Die Umschlagstelle für die gesammelten PPK-Abfälle, die vom AG zu stellen war, musste zur Bewältigung des geschätzten Abfallaufkommens noch umgebaut werden. Die erforderliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung, die nach § 10 Abs. 6a BImSchG innerhalb von drei Monaten zu erteilen ist, stellte der AG am 24.05.2017. Der Antragsteller (AS), stützte seinen Nachprüfungsantrag u. a. auf eine fehlende Vergabereife. Es sei nicht sichergestellt, dass eine Umschlagstelle mit den erforderlichen Umschlagskapazitäten zum Zeitpunkt des beabsichtigen Leistungsbeginns vorliege. Daher könne der AS den Sammelbetrieb möglicherweise zunächst nur eingeschränkt aufnehmen und müsste dann ihren Fuhrpark anderweitig auslasten.

Die Entscheidung

Ohne Erfolg! Die Vergabekammer Baden-Württemberg entschied, dass Vergabereife vorlag. Zwar sei dem Auftraggeber grundsätzlich abzuverlangen, dass er vor der Ausschreibung sämtliche rechtlichen Voraussetzungen schaffe, die später für den Leistungsbeginn erforderlich sind. Allerdings liege eine fehlende Vergabereife nur dann vor, wenn dem AG ein zögerliches Handeln hinsichtlich der Herbeiführung der notwendigen Voraussetzung vorzuwerfen sei (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 12.05.2005 13 Verg 6/05).

Rechtliche Würdigung

Zögerliches Verhalten des AG lag nach Auffassung der Vergabekammer nicht vor. Der AG habe die erforderliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung so zeitig beantragt, dass ihr Vorliegen aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen noch deutlich vor Vertragsbeginn zu erwarten ist. Der AG konnte somit zur Überzeugung der Vergabekammer glaubhaft darlegen, dass die für die Leistungserbringung erforderliche Umschlagstelle bis zum beabsichtigen Leistungsbeginn bestehen werde.

Die Vergabekammer begründet ihre Entscheidung außerdem damit, dass dem AG ein Zuwarten auf die Genehmigung unter diesen Umständen nicht zumutbar sei. Denn es sei beispielsweise für die Ausschreibung des Neubaus eines Gebäudes auch nicht erforderlich, dass das alte Gebäude vor Beginn der Ausschreibung bereits abgerissen wurde.

Für den Fall, dass der Umbau der Umschlagstelle dennoch nicht rechtzeitig erfolge, könne sich der AS ohnehin nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB) schadlos halten.

Praxistipp

Die Entscheidung zeigt, dass es bei der Herstellung der für die Vergabereife erforderlichen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Voraussetzungen auch auf deren Zumutbarkeit für den Auftraggeber ankommt. Vorbereitungsmaßnahmen können noch während des Vergabeverfahrens zum Abschluss gebracht werden, wenn ihr rechtzeitiger Abschluss hinreichend sicher ist und der Auftraggeber bei der Herbeiführung dieser Voraussetzungen nicht zögerlich handelt.

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Über Dr. Martin Ott

Der Autor Dr. Martin Ott ist Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Herr Dr. Ott berät und vertritt bundesweit in erster Linie öffentliche Auftraggeber umfassend bei der Konzeption und Abwicklung von Beschaffungsvorhaben. Auf der Basis weit gefächerter Branchenkenntnis liegt ein zentraler Schwerpunkt in der Gestaltung effizienter und flexibler Vergabeverfahren. Daneben vertritt Herr Dr. Ott die Interessen der öffentlichen Hand in Nachprüfungsverfahren. Er unterrichtet das Vergaberecht an der DHBW und der VWA in Stuttgart, tritt als Referent in Seminaren auf und ist Autor zahlreicher Fachveröffentlichen. Er ist einer der Vorsitzenden der Regionalgruppe Stuttgart des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW).

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