Hessen
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Am 01.07.2013 ist nun auch in Hessen das neuen Vergabegesetz (HVgG) in Kraft getreten. Wie schon in anderen Bundesländern wird es erheblichen Einfluss auf die tägliche Vergabepraxis haben. Anders als in Zeiten von Runderlassen und Verwaltungsvorschriften haben nun die wesentlichen Grundsätze des Verfahrens wie Gleichbehandlung, Transparenz und Wettbewerb sowie wesentliche Regelungen wie der Vorrang der öffentlichen Ausschreibung, die Bekanntmachung sowie die fortlaufende Dokumentation des Verfahrens auch bei nationalen Vergaben Gesetzesqualität und Außenwirkung. Aber damit nicht genug: In Zukunft kann sich jeder Bieter unterhalb der Schwellenwerte auch auf diese Vorschriften sowie sonstige bieterschützende Vorschriften im Rahmen von speziell eingerichteten Nachprüfungsverfahren berufen und – so jedenfalls die im Gesetz vorgesehene Möglichkeit – auch den Zuschlag verhindern.
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Ein wesentliches Anliegen der letzten Reform der VOL/A und VOB/A war die Schaffung von mehr Transparenz im Unterschwellenbereich, u.a. durch eine Pflicht zur Ex-Post Veröffentlichung vergebener Aufträge nach Freihändigen Vergaben bzw. Beschränkten Ausschreibungen ohne Teilnahmewettbewerb (§ 19 Abs. 2 VOL/A bzw. § 20 Abs. 3 VOB/A). Genau dies stellte jedoch ein Runderlass des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 26.10.2010 zur Anwendung frei. Dies hatte insbesondere die Landtagsfraktion von BÜNDNIS90/ DIE GRÜNEN heftig kritisiert. Nun hat die Landesregierung eingelenkt.
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Das Hessische Ministerium des Innern und für Sport hat Rechtsberatungsleistungen ausgeschrieben, mit denen mindestens 25 Beschaffungsvorgängen des Präsidium für Technik, Logistik und Verwaltung (PTLV) aus den Jahren 2006 bis 2011 auf ihre Rechtmäßigkeit hin untersucht werden sollen. Darüber hinaus ist eine Organisationsuntersuchung des PTLV vorgesehen. Dieses führt jährlich bis zu 6000 Vergabeverfahren mit einem Volumen von ca. 40 Mio EUR durch.
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Dass man über eine neue Regelung in VOL/A bzw. VOB/A so lange streiten kann, die doch nur eines zum Ziel hatte: Im Unterschwellenbereich für mehr Transparenz zu sorgen, indem Freihändige Vergaben ex-post veröffentlicht werden. Gem. eines hessischen Runderlasses vom Oktober letzten Jahres werden jede Vorschriften zur Anwendung freigestellt. Nachdem die GRÜNEN bislang vergeblich die Rücknahme forderten, zeigt einem Bericht der Frankfurter Rundschau nach der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Walter Arnold, nun “eine gewisse Sympathie” dafür. Wirtschaftsminister Dieter Posch (FDP) lehne das aber ab. Interessant: Gem. eines neuen CDU-Papiers soll künftig eine Freihändige Vergabe für alle Aufträge bis 100.000 EUR in Hessen zulässig sein.
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In keinem Bundesland wurde die Diskussion um die Verlängerung der im Rahmen der Konjunkturpakete erhöhten vergaberechtlichen Wertgrenzen so kontrovers geführt. Nach der Ankündigung des hessischen Ministerpräsidenten Bouffier, man wolle aufgrund der gemachten “guten Erfahrungen” die Regelungen beibehalten, brachten die GRÜNEN das Thema in einer aktuellen Stunde in den Landtag ein. Offenbar mit Erfolg: Ohne gründliche Evaluation und Diskussion in den Landtagsgremien nun doch keine Verlängerung. Zustimmung kommt von der Antikorruptionsorganisation Transparency International, während die Handwerkskammer Rhein-Main in entgegengesetzter Richtung Position bezieht: Künftig solle “noch stärker die Möglichkeit der beschränkten Ausschreibung” genutzt werden, “damit mehr Aufträge an heimische Betriebe vergeben werden”. Dies hätten der Frankfurter Stadtkämmerer Uwe Becker und Planungsdezernent Edwin Schwarz mit dem Handwerkskammerpräsident Bernd Ehinger – so wörtlich – „vereinbart“.
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In der aktuellen Diskussion über eine Verlängerung der vergaberechtlichen Erleichterungen aus dem Konjunkturprogramm in Hessen meldet sich das hessische Handwerk zu Wort: „Vor allem die bis Ende 2011 befristete Anhebung der Vergabefreigrenzen für freie und beschränkte Ausschreibungen hat maßgeblich dazu beigetragen, dass es für die Handwerksbetriebe in Hessen weiter bergauf geht“, heisst es in einer Pressemitteilung. Ansonsten ist die Argumentation aber nicht gänzlich schlüssig.
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Man ist in guter Gesellschaft. Bereits zahlreiche Bundesländer haben die vergaberechtlichen Erleichterungen des KP über die ursprüngliche Befristung hinaus verlängert (Übersicht hier). Einzig, der Grund ist angesichts der brummenden Konjunktur nicht so recht ersichtlich, weshalb man sich auf Bundesebene bislang auch nicht zu einer Verlängerung entschließen konnte, sondern zunächst die Ergebnisse einer laufenden Evaluierung dazu abwartet.
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Nachdem die Hessische Landesregierung im November vergangenen Jahres gravierende Verstöße gegen das Vergaberecht bei der Vergabe von IT-Großaufträge des Landes in den Jahren 2008 bis 2010 einräumen musste, gelobte man Besserung. Kurioserweise entdeckte Vergabeblog etwa zeitgleich einen unscheinbaren “Gemeinsamen Runderlass zum Öffentlichen Auftragswesen” vom 26.10.2010 aus der Feder der Landesregierung. Dieser stellt ausgerechnet jene Vorschriften der novellierten Verdingungsordnungen zur Anwendung frei, die für mehr Transparenz bei der Auftragsvergabe sorgen sollten. Offenbar empfand man dabei aber nicht Alles, was die Reform hervor gebracht hatte, als schlecht: Im selben Erlass wurde die vom DVAL – zuständig für die Novelle der VOL/A – mit Bedacht gewählte Grenze für den neuen “Direktkauf” auf das 15-fache angehoben. Das ist per se, gerade jedoch vor dem Hintergrund der aktuellen Vorkommnisse und der gelobten Besserung bemerkenswert. Und das beides nicht so recht zusammen passt, finden auch die GRÜNEN im Hessischen Landtag und fordern nun die Rücknahme des Erlasses.
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In Hessen wurde in den letzten Jahren eine Reihe von IT-Großaufträgen des Landes nicht öffentlich ausgeschrieben. Inzwischen hat die Landesregierung erhebliche Verstöße gegen das Vergaberecht eingeräumt, die streitigen Aufträge müssen neu ausgeschrieben werden. Offen bleibt die Frage nach dem Warum und der politischen Verantwortung. Vergabeblog Sprach mit Kai Klose, wirtschaftspolitischer Sprecher der GRÜNEN im Hessischen Landtag und Politischer Geschäftsführer der hessischen GRÜNEN.
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Ein wesentliches Anliegen der Reform der VOL/A und VOB/A war die Schaffung von mehr Transparenz im Unterschwellenbereich (s. dazu auch den Beitrag im Vergabeblog). Nun sollte man meinen, dass gerade Hessen nach den aktuellen Geschehnissen um die umstrittene Vergabe mehrerer IT-Großaufträge es damit fortan besonders genau nimmt. So hatte eben deshalb noch am 3. November Hessens Finanzminister Schäfer Fehler bei der Vergabe eingeräumt und verkündet „Wir tun alles, um für die Zukunft eine optimale Organisation der IT-Vergaben im Land Hessen sicher zu stellen“. Man darf sich angesichts dessen schon die Frage stellen, wie dazu ein aktueller Runderlass des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 26. Oktober passt. Denn dieser stellt just jene Vorschriften des neuen Vergaberechts zur Anwendung frei, die für mehr Transparenz sorgen sollten.