Kategorie:
Recht
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Wann sind wesentliche Vertragsänderungen ausschreibungsfrei?
EuGH, Urt. v. 16.10.2025 – C-282/24 – Polismyndigheten

Die sog. De-minimis-Änderung gemäß § 132 Abs. 3 GWB stellt eine Safe-Harbour-Regelung dar, die es erlaubt, öffentliche Aufträge und Rahmenvereinbarungen während der Vertragslaufzeit ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens zu modifizieren. Voraussetzung für ihre Zulässigkeit ist unter anderem, dass der Gesamtcharakter des ursprünglichen Auftrages oder der Rahmenvereinbarung unverändert bleibt. Der EuGH hat sich erstmals dazu geäußert, unter welchen Bedingungen eine Änderung diesen Gesamtcharakter beeinflusst. Die Entscheidung konkretisiert die Abgrenzung zwischen zulässigen geringfügigen und unzulässigen wesentlichen Änderungen.
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Für den Erfolg der Verwaltungsdigitalisierung in Deutschland ist die Berücksichtigung kommerzieller Fachverfahren und privater IT-Dienstleister unerlässlich. Das macht das Vergaberecht außerhalb der Inhouse-Regelungen und dessen handwerklich richtige Anwendung zur notwendigen Voraussetzung zur Erreichung der Ziele des OZG 2.0.
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Umsatzsteuerpflicht bei Briefdienstleistungen des marktbeherrschenden Unternehmens
OLG Celle, Beschl. v. 19.09.2025 und Beschl. v. 09.10.2025 – 13 Verg 7/25

Der Vergabesenat beim OLG Celle hat mit Beschluss vom 19.09.2025 wichtige Hinweise zur Prüfung und Bewertung von Angeboten von Konzernunternehmen der Deutsche Post AG gegeben, soweit deren Entgelte unter Hinweis auf § 4 Nr. 11b. UStG ohne Umsatzsteuer angeboten sind. Nach Erledigungserklärungen der Beteiligten hält der Vergabesenat mit Kostenbeschluss vom 09.10.2025 an seiner Auffassung fest und vertieft seine Ausführungen zur Rechtslage.
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Ausschluss wegen Schlechtleistung setzt sorgfältige Sachverhaltsermittlung und Anhörung des Bieters voraus
VK Nordbayern, Beschl. v. 23.10.2024 – RMF-SG21-3194-09-28

Öffentliche Auftraggeber können Bieter im Fall einer mangelhaften Erfüllung eines früheren öffentlichen Auftrags grundsätzlich von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen. Die VK Nordbayern hat in einem aktuellen Beschluss nochmals klargestellt, dass ein wirksamer Ausschluss voraussetzt, dass der Auftraggeber den zugrunde liegenden Sachverhalt sorgfältig ermittelt und den betroffenen Bieter zuvor umfassend angehört hat. Außerdem kann eine getroffene Ausschlussentscheidung nicht nachträglich mit Gründen gerechtfertigt werden, die zum Zeitpunkt der Entscheidung noch gar nicht bekannt waren.
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Objektive Unklarheiten gehen zu Lasten des Auftraggebers und gebieten eine Rückversetzung des Verfahrens!
BayObLG, Beschl. v. 05.08.2025 – Verg 2/25e

Mit seiner Entscheidung verdeutlicht das BayObLG, dass vermeintliche Unklarheiten im Angebot nicht ohne weiteres durch eine Aufklärung geheilt werden dürfen, wenn dadurch erst eine inhaltliche Festlegung herbeigeführt würde. In solchen Fällen ist das Angebot zwar nicht wertbar, ein unmittelbarer Ausschluss kommt aber nicht in Betracht. Vielmehr muss das Vergabeverfahren in den Stand vor Abgabe der finalen Angebote zurückversetzt werden, um allen Bietern die Chance auf eine eindeutige Angebotsabgabe zu eröffnen, da in dem hier in Rede stehenden Verfahren nach aktuellem Sachstand auf keines der Angebote ein Zuschlag erfolgen darf. Diese Linie stärkt das Transparenz- und Gleichbehandlungsgebot, führt aber zugleich zu erheblichen Verzögerungen in laufenden Verfahren. Die Aussagekraft der Entscheidung ist deshalb differenziert zu betrachten: Sie betrifft insbesondere Verhandlungsverfahren, in denen die Angebotsinhalte naturgemäß weiterentwickelt werden können, und sollte nicht unbesehen auf andere Verfahrensarten übertragen werden.
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Krieg wartet auf Zuschlag nicht!
Gesetzesinitiative auf nationaler und EU-Ebene

Zu langsam, zu kompliziert, ineffizient sei das Beschaffungswesen im Verteidigungsbereich, hört man von den Podien und auf den Fluren bei Verteidigungs- und Sicherheitskonferenzen – und nicht erst seit dem russischen Angriffskrieg. Doch erst seit dem russischen Angriffskrieg und dem erschütterten Vertrauen in die USA als verlässlichen Bündnispartner ist auch den Hütern des Wettbewerbs und des Haushalts an ihren Schreibtischen in Berlin, Bonn und Brüssel bewusst geworden, dass dringender Handlungsbedarf besteht, die Beschaffungsregeln zu vereinfachen und den Weg zu einer schlagkräftigen Beschaffung – wenn der Begriff erlaubt sein darf -, freizumachen.
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Mit Wirkung zum 1. Januar 2026 verändert sich die vergaberechtliche Landschaft in Nordrhein-Westfalen grundlegend. Durch die Einführung des neuen § 75a der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) fallen sämtliche landesrechtlichen Wertgrenzen für kommunale Vergabeverfahren weg. An die Stelle der bisherigen Pflicht zur Anwendung der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) und der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A, Abschnitt 1) tritt ein allgemeiner Grundsatzrahmen. Kommunen sind
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FFP2-Masken-Beschaffung während Corona: Anwendung des Preisrechts trotz Open-House-Verfahren
OLG Köln vom 15.05.2025 18 U 97/23

Jahrzehntelang führte das öffentliche Preisrecht der VO (PR) 30/53 (Verordnung PR Nr 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen oder Preisverordnung, im Folgenden: PreisV) ein Schattendasein. Dies galt jedenfalls außerhalb von Aufträgen der Bundeswehr und außerhalb der Zuwendungskostenprüfung. Dies mag verwundern: Denn die Preisverordnung ist seit über 70 Jahren in Kraft. Ihr Anwendungsbereich ist denkbar weit: Mit Ausnahme von Aufträgen über Bauleistungen gilt sie nämlich für alle Aufträge des Bundes, der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände und der sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts (vgl. § 2 Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 PreisV). Das OLG Köln (Urteil vom 15.05.2025 – 18 U 97/23 (noch nicht rechtskräftig)) demonstriert dies nun für eine FFP2-Masken-Beschaffung des Bundes.
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Die öffentliche IT-Beschaffung steht an einem Scheideweg: Zwischen bewährter Vergabepraxis und der Notwendigkeit digitaler Steuerungsfähigkeit. Die Gründung einer IT-Vergabestelle birgt Chancen, wird aber erst dann dauerhaft tragfähig, wenn sie mit einem ebenso konsequenten IT-Vertragsmanagement gekoppelt ist – als Herzstück für Transparenz, Kontrolle und strategische Entwicklung.
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Ist das das Ende der Ex-ante Transparenzbekanntmachung?
OLG Dresden, Beschl. v. 28.08.2025 – Verg 1/25

Das OLG Dresden äußert sich zu den Anforderungen einer wirksamen Ex-ante Transparenzbekanntmachung: In seiner Entscheidung macht das Gericht deutlich, dass die Vorarbeiten eines öffentlichen Auftraggebers zur Begründung von z.B. technischen Alleinstellungsmerkmalen im Rahmen von Ex-ante Bekanntmachungen fast genauso hoch sind, wie ohne selbige. Insbesondere betont nun auch das OLG Dresden die Verpflichtung zu einer europaweiten Marktrecherche. Darüber hinaus überrascht, dass für die gerichtliche Prüfung des Vorliegens solcher Gründe allein die Ausführungen in der Ex-ante Bekanntmachung relevant sind und auch im Nachprüfungsverfahren nur sehr eingeschränkt ergänzt werden können. Rein praktisch gesehen könnte angesichts der Entscheidung das bisher beliebte Instrument der Ex-ante Transparenzbekanntmachung für Auftraggeber nicht mehr so attraktiv sein, um innerhalb von 10 Tagen „Sicherheit“ zu haben. Zumindest wäre eine Ex-post Bekanntmachung immer auch erforderlich, um die sechs-Monatsschwelle der Unsicherheit auf insgesamt 40 (10 + 30) Tage zu reduzieren.












