Wird ein öffentlicher Auftrag oberhalb der Schwellenwerte entgegen den Vorschriften des GWB ohne öffentliche Ausschreibung vergeben, so liegt hierin nach Ansicht des Bundesgerichtshofs (Urteil vom v. 03.07.08 – I ZR 145/05) zugleich eine wettbewerbsrechtlich unlautere Handlung gem. §§ 3, 4 Nr. 11 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Gem. § 4 Nr. 11 UWB handelt „unlauter i.S. von § 3 insbesondere, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln“. Die Vorschriften des Vierten Teils des GWB, aus denen sich die Pflicht zur Ausschreibung öffentlicher Aufträge ergibt, seien nämlich Marktverhaltensregeln i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG, so der BGH.
Ein öffentlicher Auftraggeber begehe in diesem Fall einen Wettbewerbsverstoß i.S.d. UWG. Besonders interessant in diesem Zusammenhang: Bei Kenntnis des ohne Ausschreibung beauftragten Unternehmens von der Rechtswidrigkeit der Vergabe kommt für dieses eine Haftung als Teilnehmer am Wettbewerbsverstoß in Betracht.
Im zu entscheidenden Fall war das ohne Ausschreibung beauftragte Unternehmen im Vorfeld der Vergabe beratend für den öffentlichen Auftraggeber tätig. Dabei hatte es fälschlicherweise behauptet, es bestehe keine Ausschreibungspflicht für die geplante Vergabe. Laut BGH habe es damit „eine Beratungskompetenz in Anspruch genommen, sich auf die Autorität eines Gutachters…bezogen und Zweifel an seiner Rechtsauffassung nicht zu erkennen gegeben“, weshalb dieser den Tatbestand der (psychischen) Beihilfe am Wettbewerbsverstoß als erfüllt ansah.
Erfolge dabei die Förderung des Wettbewerbsverstoßes des öffentlichen Auftraggebers – zumindest bedingt – vorsätzlich, könne ein Wettbewerber zudem einen Unterlassungsanspruch gegen den Auftragnehmer geltend machen, so der BGH. Hierzu hatten die vorhergehenden Instanzen aber keine Feststellungen getroffen.
Marco Junk
Der Jurist Marco Junk gründete im Jahr 2007 den Vergabeblog und 2010 gemeinsam mit Dipl.-Kaufmann Martin Mündlein das Deutsche Vergabenetzwerk (DVNW). Er begann seine berufliche Laufbahn im Jahr 2004 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer und war danach als Bereichsleiter Vergaberecht beim Digitalverband bitkom tätig. Im Jahr 2011 leitete er die Online-Redaktion des Verlags C.H. Beck. Von 2012 bis 10/2014 war er Mitglied der Geschäftsleitung des bitkom und danach bis 10/2021 Geschäftsführer des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. Seit 2022 ist Marco Junk zudem als Leiter Regierungsbeziehungen für Eviden tätig. Seine Beiträge geben ausschließlich seine persönliche Meinung wieder.
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