Vergabeblog

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Politik und Markt

Neue Vergabe-Richtlinie in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit

Bundeswehr Das Europäische Parlament (EP) hatte am 16. Dezember vergangenen Jahres eine neue Richtlinie zur Vergabe öffentlicher Aufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit verabschiedet. Die Richtlinie ist der erste Teil eines Pakets (Defence Package), das auf die Schaffung eines europäischen Markts für Verteidigungsgüter zielt. Unter Berufung auf Artikel 296 des EG-Vertrages werden solche Güter und Dienstleistungen bislang unter dem Deckmantel nationaler Sicherheitsinteressen oft nicht europaweit ausgeschrieben. Die neue Richtlinie soll für eine Öffnung dieses Marktes und für mehr Transparenz und Wettbewerb bei der Auftragsvergabe sorgen.

Nach Auffassung der EU ist zudem ein europäischer Markt für Verteidigungsgüter eine der Grundvoraussetzungen für die Förderung der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. So kritisierte Alexander Graf Lambsdorff (FDP), Berichterstatter des EP für die neue Richtlinie, anlässlich deren Verabschiedung in einer Pressemitteilung der EU den “zersplitterten Rüstungsmarkt”. In Europa gebe es 89 verschiedene, gelegentlich sogar doppelte Rüstungsprogramme. Die USA hätten gerade einmal 29, obwohl die Verteidigungshaushalte der EU-Mitgliedsländer weitaus kleiner seien.

Auf dem europäischen Rüstungsmarkt würden jährlich Güter und Dienstleistungen im Wert von ca. 91 Mrd. Euro beschafft, so Lambsdorff. Davon würden im Schnitt gerade einmal 13 % europaweit ausgeschrieben. Beschaffungsvorhaben im Rahmen multinationaler Verteidigungsprogramme werden häufig unter Berufung auf 296 des EG-Vertrags nach nationalen Gesichtspunkten aufgeteilt. Artikel 296 des EG-Vertrags gesteht einem Mitgliedstaat Maßnahmen zu, die nach dessen Einschätzung für die Wahrung seiner wesentlichen Sicherheitsinteressen erforderlich sind. In der Praxis machen die meisten nationalen Behörden von dieser Ausnahmeregelung ausgiebig Gebrauch. Das Fehlen EU-weiter Regelungen behinderte bislang die Öffnung der Verteidigungs- und Sicherheitsmärkte zwischen den Mitgliedstaaten. Hier setzt die neue Richtlinie an, der bemerkenswerte 597 Abgeordnete des EP zustimmten. Nur 69 waren dagegen, 33 enthielten sich der Stimme.

Anwendungsbereich

Die Richtlinie deckt nicht nur den Verteidigungssektor, sondern auch sensible Produkte und Dienstleitungen des zivilen Sicherheitsmarktes (“sensitive contracts“) ab. Der einheitliche Rechtsrahmen soll Anbietern und Auftraggebern die Arbeit erleichtern. Zu den sicherheitsrelevanten Beschaffungen im nicht-militärischen zählen:

  • Beschaffungen, die den Umgang mit „klassifizierter“ Information erfordern
  • Vergaben mit Bezug auf Terrorismusbekämpfung
  • Zum Schutz kritischer Infrastrukturen
  • Zum Schutz der EU-Außengrenzen

Für “rein zivile” Beschaffungen bleibt es bei der Richtlinie 2004/17/EG.

Zwar kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder des Schutzes wesentlicher Sicherheitsinteressen eines Mitgliedsstaates die Vergabe von Aufträgen nach wie vor gem. Art 296 EVG von der Richtlinie ausgenommen werden. Allerdings soll künftig nur noch der engste Kernbereich interpretativ von Art. 296 EGV erfaßt werden.

Schwellenwerte

Der Auftragswert, ab dem Aufträge europaweit ausgeschrieben werden müssen, liegt – analog zur sektorspezifischen zivilen Richtlinie 2004/17/EG – bei €412.000 für Liefer- und Dienstleistungsaufträge bzw. €5.150.000 für Bauaufträge.

Unterauftragsvergabe

Regelungen zur Unterauftragsvergabe wie z.B. die Möglichkeit der Verpflichtung der Bekanntmachung von Unteraufträgen, sollen dazu beitragen, den für diese Sektoren wichtigen kleinen und mittleren Unternehmen den Marktzugang zu erleichtern und den Gebrauch von illegalen Kompensationsgeschäften seitens der Mitgliedstaaten zu erschweren.

Zuschlag

Dieser kann auf das wirtschaftlichste Angebot oder ausschließlich auf der Kriterium des niedrigsten Preises erfolgen

Informations- und Versorgungssicherheit

Auftraggeber können zur Wahrung ihrer Sicherheitsinteressen entsprechende Auflagen machen. So können sie zusätzliche Bedingungen zur Auftragsausführung fordern, die

  • der Versorgungssicherheit dienen, z.B. die Fähigkeit zur Einhaltung aller Export-, Transit- und Transferbestimmungen, der Gewährleistung der „security of supply“ oder auch zusätzlicher Lieferungen bei Notlagen, Krisen und bewaffneten Konfliktfällen, oder
  • umweltbezogenen oder sozialen Aspekten dienen.
  • Es ist zulässig, als Eignungskriterium die Fähigkeit des Bieters zum Umgang mit klassifizierten Informationen vorzusehen.

Rechtsmittel

Deren Einführung war bis zu letzt umstritten und wurde insbesondere auf Druck Deutschlands letztendlich aufgenommen. Analog zur 2007 verabschiedeten zivilen Rechtsmittelrichtlinie bedeutet dies für in diesem Sektor tätige Unternehmen eine vergleichbare Rechtssicherheit wie für Unternehmen im zivilen Sektor.

Der zweite Teil des “Defence Package” der EU ist eine weitere Richtlinie zur Vereinfachung der Bedingungen für die innergemeindschaftliche Verbringung von Verteidigungsgütern.

Sie finden die Richtlinie und alle dazugehörigen Dokumente auf der Webseite der EU unter http://www.europarl.europa.eu/oeil/file.jsp?id=5573442.

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Über Marco Junk

Der Jurist Marco Junk gründete im Jahr 2007 den Vergabeblog und 2010 gemeinsam mit Dipl.-Betriebsw. Martin Mündlein das Deutsche Vergabenetzwerk (DVNW). Er begann seine berufliche Laufbahn im Jahr 2004 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer und war danach als Bereichsleiter Vergaberecht beim Digitalverband bitkom tätig. Im Jahr 2011 leitete er die Online-Redaktion des Verlags C.H. Beck. Von 2012 bis 10/2014 war er Mitglied der Geschäftsleitung des bitkom und danach bis 10/2021 Geschäftsführer des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. Seit 2022 ist Marco Junk zudem als Leiter Regierungsbeziehungen für Eviden tätig. Seine Beiträge geben ausschließlich seine persönliche Meinung wieder.

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