Kategorie:
Recht
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Alles kann, nichts muss – „freiwillige“ Anwendung des Vergaberechts beim Glasfaserausbau
VG Darmstadt, Beschl. v. 01.04.2025 – 7 L 2856/24.DA
Ist das Kartellvergaberecht ausnahmsweise nicht anzuwenden (wie etwa beim Breitbandausbau nach § 116 Abs. 2 GWB bzw. § 149 Nr. 8 GWB), dürfen Vergabestellen für das Auswahlverfahren gleichwohl die VgV bzw. KonzVgV zugrunde legen. Bei gefördertem Breitbandausbau ist das in den meisten Fällen sogar zuwendungsrechtlich geboten, auch wenn das Kartellvergaberecht selbst die Anwendung nicht vorschreibt.
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Die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde soll ausgeschlossen werden, wenn der Antragsteller in erster Instanz unterliegt. So sieht es der Referentenentwurf des Vergabebeschleunigungsgesetzes vor. Damit wäre gerichtlicher Primärrechtsschutz faktisch nicht mehr zu erreichen. Das wirft nicht nur europa- wie verfassungsrechtliche Bedenken auf, die die Gesetzesbegründung nicht auszuräumen vermag. Vor allem ist es ein Rückschritt in längst überwundene vergaberechtliche Denkmuster – ein Rollback in die Neunziger.
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Gesetz zur Beschleunigung der Vergabe öffentlicher Aufträge
Bundeskabinett soll schon nächste Woche beraten
In Berlin pfeifen es die Spatzen von den Dächern der Verbände – das Bundeswirtschaftsministerium unter neuer politischer Führung liefert: Das „Gesetz zur Beschleunigung der Vergabe öffentlicher Aufträge“. Dem Vernehmen nach soll es bereits nächste Woche im Kabinett beraten und beschlossen werden.
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Übergriffiges Vergaberecht? Verweise auf Zivilnormen bei Vergaben bergen Risiken für öffentliche Auftraggeber
EuGH, Urt. v. 05.06.2025 – C-82/24 – Veolia Water Technologies u.a.
Der EuGH hat entschieden, dass öffentliche Auftraggeber sich bei der Auftragsausführung nicht auf nationale Zivilvorschriften wie das BGB berufen dürfen, wenn diese nicht ausdrücklich in den Vergabeunterlagen angegeben sind. Dies gilt insbesondere, wenn die rechtlichen und wirtschaftlichen Bedingungen für Bieter aus anderen Mitgliedstaaten nicht hinreichend klar und vorhersehbar sind. Das Urteil betont die Notwendigkeit, alle Bedingungen und Modalitäten eines Vergabeverfahrens klar und eindeutig zu formulieren, um während der Vertragsphase keine Rechte und Ansprüche zu verlieren. Damit stellt der Richterspruch ein erhebliches Risiko für öffentliche Auftraggeber dar und wirkt über das Vergaberecht hinaus.
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Zweifel an der Erfüllbarkeit? – VK Bund bestätigt Angebotsausschluss bei nicht nachvollziehbarem Leistungsversprechen
VK Bund, Beschl. v. vom 12.09.2024 – VK 2-77/24
Mit der Abgabe eines Angebots in einem Vergabeverfahren geben die Bieter ein Leistungsversprechen dahingehend ab, dass die ausgeschriebenen Leistungen vollständig und vertragsgemäß erfüllt werden. Öffentliche Auftraggeber dürfen diesen Leistungsversprechen grundsätzlich vertrauen, sind jedoch verpflichtet, deren Erfüllbarkeit zu überprüfen, wenn konkrete Zweifel aufkommen. Die Vergabekammer des Bundes bestätigte in einer aktuellen Entscheidung, dass ein Angebot ausgeschlossen werden kann, wenn der Auftraggeber von der Erfüllbarkeit des Leistungsversprechens eines Bieters nicht überzeugt ist und auch nach erfolgter Aufklärung Zweifel hinsichtlich der vertragsgemäßen Leistungserbringung verbleiben.
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Widerruf der Zuwendung wegen VOB/A-Verstoß – produktbezogen und „oder gleichwertig“?
VG Schwerin, Urt. v. 10.04.2025 – 3 A 1671/20 SN
Das Ermessen des Zuwendungsgebers bei Vergabeverstößen in der EU-Förderung ist aufgrund des Unionsrechts und der COCOF-Leitlinien in der Regel in Richtung Widerruf des Förderbescheids intendiert. Wenn Zuwendungsempfänger sich nicht an die im Zuwendungsverhältnis beauflagten Vorgaben der VOB/A halten, ist die Bewilligung in der Regel aufgrund der Überlagerung des Unionsrecht sowie der haushaltsrechtlichen Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu widerrufen und von der Aufhebung und Rückforderung nur in atypischen Fällen abzusehen.
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Die Behauptung, das Nachprüfungsverfahren sei ein Investitionshindernis, gehört zu den Legenden, die sich hartnäckig halten. In den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD ist nun eine Arbeitsgruppe darauf hereingefallen und hat dafür gesorgt, dass im Koalitionsvertrag ab Nr. 2084 zu lesen ist: „Wir werden die Vergabe öffentlicher Aufträge beschleunigen, indem die aufschiebende Wirkung der Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Vergabekammern zu den Oberlandesgerichten entfällt.“ Die Umsetzung dieses Vorschlags, den sich Ahnungslose ausgedacht haben, bewirkte bestenfalls eine 0-Beschleunigung – auf Kosten des Rechtsschutzes.
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OLG Dresden zu den Folgen der Insolvenz im Vergabeverfahren: Keine Leistungsfähigkeit, keine Antragsbefugnis
OLG Dresden, Beschl. v. 19.12 .2024 und 17.03.2025 – Verg 4/24
Verliert ein Bieter im laufenden Vergabenachprüfungsverfahren die Fähigkeit oder den Willen zur Erbringung der ausgeschriebenen Leistung, entfällt seine Antragsbefugnis. Das gilt auch im Fall einer Insolvenz, wenn der Insolvenzverwalter nicht konkret darlegen kann, dass das operative Geschäft weitergeführt werden soll und ein Interesse an der Erbringung der ausgeschriebenen Leistung besteht. Das OLG Dresden hat die diesbezügliche Obliegenheit der Insolvenzverwalter in einem aktuellen Beschluss nochmals hervorgehoben und zugleich dem Versuch, durch die Erhebung einer Anhörungsrüge eine weitere Nachprüfungsinstanz zu eröffnen, eine klare Absage erteilt.
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Die etwas andere Addition bei Referenzen: 1 + 1 ergibt nicht immer 2
Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschl. v. 09.04.2025 – Verg 1/25e
Referenzanforderungen, vorliegend eine bestimmte Mindestliefermenge, können nicht per se durch eine Gesamtschau/Addition einzelner, auf mehreren Aufträgen basierenden, Leistungen im Rahmen einer Referenz nachgewiesen werden. Dem Auftraggeber obliegt die Festlegung, ob eine Anforderung an eine Referenz durch einen einzigen Auftrag oder aber zusammengefasst durch mehrere Aufträge nachgewiesen werden kann. Indem der Auftraggeber den Nachweis von Mindestmengen im Rahmen einer Referenz an die Ausführung eines einzigen Auftrags knüpft, stellt er zugleich auf eine längerfristige, dauerhafte sowie ggf. kontinuierliche Lieferverpflichtung und auf die Bewältigung und entsprechende Organisation einer bestimmten Menge ab. Sofern auch für diese Parameter der notwendige Auftragsbezug besteht, ist eine solche Festlegung nicht zu beanstanden.
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Auftragswertschätzung bei Ausschreibungen von Alttextil-, Altpapier- oder ähnlichen Leistungen
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 06.09.2023 – VII-Verg 11/23
Die Vergütung für die Erbringung ausgeschriebener Leistungen beschränkt sich in der Regel auf die Zahlung eines Entgelts durch den Auftraggeber an den Auftragnehmer. Leistungen im Bereich der Sammlung und Verwertung von Alttextilien und Altpapier oder bei sonstigen Leistungen, bei denen dem Auftragnehmer ein Verwertungsrecht an überlassenen Gegenständen und damit eine Verdienstmöglichkeit zukommt, zeichnen sich häufig durch gegenseitige Zahlungen der Vertragsparteien aus. Hierbei sind zwei Komponenten maßgeblich: