Recht
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OLG Dresden zu den Folgen der Insolvenz im Vergabeverfahren: Keine Leistungsfähigkeit, keine Antragsbefugnis
OLG Dresden, Beschl. v. 19.12 .2024 und 17.03.2025 – Verg 4/24
Verliert ein Bieter im laufenden Vergabenachprüfungsverfahren die Fähigkeit oder den Willen zur Erbringung der ausgeschriebenen Leistung, entfällt seine Antragsbefugnis. Das gilt auch im Fall einer Insolvenz, wenn der Insolvenzverwalter nicht konkret darlegen kann, dass das operative Geschäft weitergeführt werden soll und ein Interesse an der Erbringung der ausgeschriebenen Leistung besteht. Das OLG Dresden hat die diesbezügliche Obliegenheit der Insolvenzverwalter in einem aktuellen Beschluss nochmals hervorgehoben und zugleich dem Versuch, durch die Erhebung einer Anhörungsrüge eine weitere Nachprüfungsinstanz zu eröffnen, eine klare Absage erteilt.
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Die etwas andere Addition bei Referenzen: 1 + 1 ergibt nicht immer 2
Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschl. v. 09.04.2025 – Verg 1/25e
Referenzanforderungen, vorliegend eine bestimmte Mindestliefermenge, können nicht per se durch eine Gesamtschau/Addition einzelner, auf mehreren Aufträgen basierenden, Leistungen im Rahmen einer Referenz nachgewiesen werden. Dem Auftraggeber obliegt die Festlegung, ob eine Anforderung an eine Referenz durch einen einzigen Auftrag oder aber zusammengefasst durch mehrere Aufträge nachgewiesen werden kann. Indem der Auftraggeber den Nachweis von Mindestmengen im Rahmen einer Referenz an die Ausführung eines einzigen Auftrags knüpft, stellt er zugleich auf eine längerfristige, dauerhafte sowie ggf. kontinuierliche Lieferverpflichtung und auf die Bewältigung und entsprechende Organisation einer bestimmten Menge ab. Sofern auch für diese Parameter der notwendige Auftragsbezug besteht, ist eine solche Festlegung nicht zu beanstanden.
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Auftragswertschätzung bei Ausschreibungen von Alttextil-, Altpapier- oder ähnlichen Leistungen
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 06.09.2023 – VII-Verg 11/23
Die Vergütung für die Erbringung ausgeschriebener Leistungen beschränkt sich in der Regel auf die Zahlung eines Entgelts durch den Auftraggeber an den Auftragnehmer. Leistungen im Bereich der Sammlung und Verwertung von Alttextilien und Altpapier oder bei sonstigen Leistungen, bei denen dem Auftragnehmer ein Verwertungsrecht an überlassenen Gegenständen und damit eine Verdienstmöglichkeit zukommt, zeichnen sich häufig durch gegenseitige Zahlungen der Vertragsparteien aus. Hierbei sind zwei Komponenten maßgeblich:
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Wenn die Vergabestelle es selbst kann – Keine Notwendigkeit für einen Verfahrensbevollmächtigten
OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 28.11.2024 – 11 Verg 5/24 und Beschl. v. 21.11.2024 – 11 Verg 6/24
Im Rahmen von Vergabenachprüfungsverfahren stellt sich regelmäßig die Frage, ob die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch den öffentlichen Auftraggeber notwendig war und ob Antragssteller im Unterliegensfall die Kosten hierfür zu erstatten haben. Das OLG Frankfurt hat in zwei aktuellen Entscheidungen die Notwendigkeit der Hinzuziehung verneint, wenn die mit der Durchführung des Vergabeverfahrens betraute zentrale Vergabestelle bereits mit Zurückweisung der vorangegangenen Rüge umfassend zu den später im Nachprüfungsverfahren erörterten Sach- und Rechtsfragen Stellung genommen hat. Damit hat sich erneut eine Vergabenachprüfungsinstanz mit den Voraussetzungen für die Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten auseinandergesetzt und die Fälle, in denen eine Kostenerstattung für öffentliche Auftraggeber in Betracht kommt, weiter eingeschränkt.
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Bye, bye, effektiver Rechtsschutz?
Warum die geplante Einschränkung des vergaberechtlichen Rechtschutzes rechtswidrig ist (und was man stattdessen machen könnte)
Wie nahezu jede neue Regierung haben sich auch CDU, CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag das Ziel gesetzt, das Vergaberecht zu vereinfachen, beschleunigen und digitalisieren. Als Mittel für eine Beschleunigung haben die Neu-Koalitionäre unter anderem den vergaberechtlichen Rechtsschutz ausgewählt. Konkret soll die aufschiebende Wirkung der Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Vergabekammern zu den Oberlandesgerichten entfallen.
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Transparenz hinsichtlich der Verfügbarkeit von Haushaltsmitteln ersetzt fehlende Vergabereife!
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.09.2024 – Verg 16/24
Rahmenvereinbarungen sind für öffentliche Auftraggeber ein nützliches Instrument, um bei regelmäßig wiederkehrenden oder nicht konkret planbaren Beschaffungen effizient und flexibel reagieren zu können, ohne für jeden einzelnen Bedarf ein neues Vergabeverfahren durchführen zu müssen. Rahmenvereinbarungen dürfen jedoch nicht dazu dienen, vergabefremde Zwecke zu verfolgen, etwa um Unsicherheiten hinsichtlich der Bereitstellung von Haushaltsmitteln abzufedern. Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass die Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung vergaberechtswidrig ist, wenn deren optionale Mengen nicht finanziell gesichert sind und den Bietern diese Unsicherheit nicht transparent bekanntgegeben wurde.
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KI in der IT-Beschaffung: Handreichung für öffentliche Auftraggeber – Teil 2
Handlungsempfehlungen für die Beschaffung von IT mit KI-Anteilen
Nachdem der erste Beitrag dieser Reihe (s. Vergabeblog.de vom 03/04/2025 Nr. 70410) einen Überblick über aktuelle Marktentwicklungen und die Herausforderungen bei der Beschaffung von IT mit KI-Anteilen gegeben hat, geht dieser Beitrag nun in die nächste Phase: die strategische Planung. Denn bevor IT Lösungen mit KI-Anteilen, oder gar reine KI-Lösungen beschafft und implementiert werden, müssen öffentliche Auftraggeber zentrale Weichenstellungen vornehmen.
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Kein Kontrahierungszwang mittels Zwangsvollstreckung
OLG Jena, Beschl. v. 08.01.2025 – Verg 8/24
Öffentliche Auftraggeber können und dürfen nicht im Wege der Zwangsvollstreckung dazu gezwungen werden, einen Auftrag an einen geeigneten Bieter zu erteilen. Dies gebietet der auch im Bereich der Vollstreckung von Vergabekammerentscheidungen bedeutsame Grundsatz der Privatautonomie.
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Schreib, schreib, schreib …
VK Thüringen, Beschl. v. 28.02.2025 – 5090-250-4003/498
Wann im Vergaberecht zu viel (aus-)geschrieben und wann zu wenig (auf-)geschrieben ist, damit beschäftigt sich die Vergabekammer Thüringen in ihrem Beschluss. Dabei wird klargestellt, dass manipulative Aufteilungen und unzureichende Bekanntmachungen von Eignungskriterien unzulässig sind.
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Wie du mir, so ich dir: Ausschluss von Bietern aus Drittstaaten wie China
EuGH, Urt. v. 13.3.2025 – C-266/22 – CRRC Qingdao Sifang
Der Markt für öffentliche Aufträge in der EU gehört zu den größten und zugänglichsten weltweit. Unternehmen aus Drittstaaten, die kein Freihandelsabkommen mit der EU im Bereich des öffentlichen Auftragswesens geschlossen haben, können sich jedoch nicht auf das Prinzip der Gleichbehandlung berufen. Dies entschied die Große Kammer des EuGH im wegweisenden Kolin-Urteil (Rs. C-652/22) im Jahr 2024. Die Luxemburger Richter bestätigten nun ihre Rechtsansicht, die den Binnenmarkt schützt.