Kategorie:
Recht
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Die Preisaufklärung stellt Vergabestellen vor erhebliche rechtliche und praktische Herausforderungen und ist aktuell ein zentrales Thema der vergaberechtlichen Spruchpraxis. Sie berührt die Kalkulationsfreiheit der Bieter genauso wie die Frage nach deren Leistungsfähigkeit. § 60 VgV gestattet Auftraggebern, den Zuschlag auf ungewöhnlich niedrige Angebote abzulehnen. Vor Ablehnung sind sie allerdings verpflichtet, die betreffenden Angebote aufzuklären und zu überprüfen. Voraussetzungen und Rechtsfolgen dieser Prüfungspflicht sind im Detail und in der Praxis noch nicht abschließend geklärt: Wann ist eine Preisaufklärung konkret erforderlich? Wie sollte sie durchgeführt werden? Wann darf sich der Auftraggeber mit Erklärungen des Bieters zufriedengeben? Und in welchem Umfang können Aufklärung und Ergebnis durch die Nachprüfungsinstanzen überprüft werden?
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Auftraggeber darf Wertungsentscheidung nicht vollständig an Externe delegieren!
VK Nordbayern, Beschl. v. 28.01.2025 – RMF-SG21-3194-9-39
Die Zuschlagsentscheidung in einem Vergabeverfahren obliegt ausschließlich dem öffentlichen Auftraggeber. Zwar darf dieser externen Sachverstand einholen, die eigentliche Entscheidung über den Zuschlag aber nicht vollständig an Dritte abgeben. Die VK Nordbayern hat entschieden, dass ein Zuschlag unwirksam ist, wenn wesentliche Schritte der Angebotswertung einer externen Fachkommission übertragen werden.
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Für welche Jahre müssen Umsatzangaben gemacht werden?
VK Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 16.01.2025 – 2 VK LSA 14/24
Die Anforderungen an den geforderten Mindestumsatz im Rahmen der Eignungsprüfung müssen so eindeutig formuliert sein, dass keine unterschiedlichen Interpretationen möglich sind. Ein Angebotsausschluss kommt nicht in Betracht, wenn die Eignungsanforderung mehrere Interpretationsmöglichkeiten eröffnet.
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Die Vergabestellen leiden unter Personalmangel. Schuld ist u.a. der demographische Wandel, krankheits- und schwangerschaftsbedingte Absenzen tun ihr Übriges. Die KI nimmt einem die Abwicklung von Vergabeverfahren noch nicht ab, und so stellt sich die Frage, wie eine Entlastung der Vergabestellen eingekauft, oder ob nicht gar ein Teil ihrer Aufgaben, wenn nicht gleich die ganze Einheit, outgesourct werden kann. Das Rechtsdienstleistungsgesetz erweist sich als die schärfste Schranke solcher Outsourcing-Bemühungen, zumindest wenn sie sich an nicht-anwaltliche Dienstleister richten.
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Neuer Gesetzesentwurf zur Beschleunigung von Bundeswehr-Vergaben
Entwurf eines Gesetzes zur beschleunigten Planung und Beschaffung für die Bundeswehr (BwPBBG)
Am 23.07.2025 hat die Bundesregierung den Referentenentwurf für ein weiteres Gesetz zur Beschleunigung von Vergabeverfahren der Bundeswehr beschlossen. Der gemeinsame Entwurf des BMWE und des BMVg vom 26.06.2025 übernimmt wesentliche Teile des zeitlich befristeten Vorgängergesetzes auf Dauer und geht in Teilen darüber hinaus. Die Rechte von Unternehmen werden erneut empfindlich verkürzt.
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Alles kann, nichts muss – „freiwillige“ Anwendung des Vergaberechts beim Glasfaserausbau
VG Darmstadt, Beschl. v. 01.04.2025 – 7 L 2856/24.DA
Ist das Kartellvergaberecht ausnahmsweise nicht anzuwenden (wie etwa beim Breitbandausbau nach § 116 Abs. 2 GWB bzw. § 149 Nr. 8 GWB), dürfen Vergabestellen für das Auswahlverfahren gleichwohl die VgV bzw. KonzVgV zugrunde legen. Bei gefördertem Breitbandausbau ist das in den meisten Fällen sogar zuwendungsrechtlich geboten, auch wenn das Kartellvergaberecht selbst die Anwendung nicht vorschreibt.
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Die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde soll ausgeschlossen werden, wenn der Antragsteller in erster Instanz unterliegt. So sieht es der Referentenentwurf des Vergabebeschleunigungsgesetzes vor. Damit wäre gerichtlicher Primärrechtsschutz faktisch nicht mehr zu erreichen. Das wirft nicht nur europa- wie verfassungsrechtliche Bedenken auf, die die Gesetzesbegründung nicht auszuräumen vermag. Vor allem ist es ein Rückschritt in längst überwundene vergaberechtliche Denkmuster – ein Rollback in die Neunziger.
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Gesetz zur Beschleunigung der Vergabe öffentlicher Aufträge
Bundeskabinett soll schon nächste Woche beraten
In Berlin pfeifen es die Spatzen von den Dächern der Verbände – das Bundeswirtschaftsministerium unter neuer politischer Führung liefert: Das „Gesetz zur Beschleunigung der Vergabe öffentlicher Aufträge“. Dem Vernehmen nach soll es bereits nächste Woche im Kabinett beraten und beschlossen werden.
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Übergriffiges Vergaberecht? Verweise auf Zivilnormen bei Vergaben bergen Risiken für öffentliche Auftraggeber
EuGH, Urt. v. 05.06.2025 – C-82/24 – Veolia Water Technologies u.a.
Der EuGH hat entschieden, dass öffentliche Auftraggeber sich bei der Auftragsausführung nicht auf nationale Zivilvorschriften wie das BGB berufen dürfen, wenn diese nicht ausdrücklich in den Vergabeunterlagen angegeben sind. Dies gilt insbesondere, wenn die rechtlichen und wirtschaftlichen Bedingungen für Bieter aus anderen Mitgliedstaaten nicht hinreichend klar und vorhersehbar sind. Das Urteil betont die Notwendigkeit, alle Bedingungen und Modalitäten eines Vergabeverfahrens klar und eindeutig zu formulieren, um während der Vertragsphase keine Rechte und Ansprüche zu verlieren. Damit stellt der Richterspruch ein erhebliches Risiko für öffentliche Auftraggeber dar und wirkt über das Vergaberecht hinaus.
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Zweifel an der Erfüllbarkeit? – VK Bund bestätigt Angebotsausschluss bei nicht nachvollziehbarem Leistungsversprechen
VK Bund, Beschl. v. vom 12.09.2024 – VK 2-77/24
Mit der Abgabe eines Angebots in einem Vergabeverfahren geben die Bieter ein Leistungsversprechen dahingehend ab, dass die ausgeschriebenen Leistungen vollständig und vertragsgemäß erfüllt werden. Öffentliche Auftraggeber dürfen diesen Leistungsversprechen grundsätzlich vertrauen, sind jedoch verpflichtet, deren Erfüllbarkeit zu überprüfen, wenn konkrete Zweifel aufkommen. Die Vergabekammer des Bundes bestätigte in einer aktuellen Entscheidung, dass ein Angebot ausgeschlossen werden kann, wenn der Auftraggeber von der Erfüllbarkeit des Leistungsversprechens eines Bieters nicht überzeugt ist und auch nach erfolgter Aufklärung Zweifel hinsichtlich der vertragsgemäßen Leistungserbringung verbleiben.