Recht
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Öffentlicher Bauauftrag trotz beihilfekonformer Finanzhilfe
EuGH, Urt. v. 17.10.2024 – C-28/23 – NFS
Große bauliche Infrastrukturprojekte stehen häufig im Mittelpunkt der vergaberechtlichen Rechtsprechung. Solche langfristigen Vorhaben sind oft durch ein komplexes Vertragsgeflecht aus Finanzhilfen und Kaufelementen gekennzeichnet, das zudem von der EU-Kommission beihilferechtlich genehmigt werden muss. In vergaberechtlicher Hinsicht stellt sich dabei regelmäßig die Frage, ob ein öffentlicher Bauauftrag vorliegt.
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Zum richtigen Umgang mit Fragen (und Rügen) im Vergabeverfahren!
VK Nordbayern, Beschl. v. 11.09.2024 – RMF-SG21-3194-9-18
Der richtige Umgang bei der Beantwortung von Fragen bzw. der Bekanntgabe/Verteilung von Informationen während eines laufenden Vergabeverfahrens führt in der Praxis regelmäßig zu Unsicherheiten und damit zusammenhängenden Problemen. So auch im von der VK Nordbayern zu entscheidenden Fall. Im Einklang mit der bisherigen Spruchpraxis ist die private, das heißt nicht-öffentliche Beantwortung von Fragen nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen möglich. Die Argumentation der Auftraggeberin „(p)rivat beantwortet worden seien lediglich Verständnisfragen einzelner Bieter“, bei denen „(t)eilweise (…) kein öffentliches Interesse an den Antworten bestanden (habe)“ verfängt insofern regelmäßig nicht. Denn aus dem Transparenz- und Gleichbehandlungsgebot resultiert, so völlig zutreffend die Vergabekammer, „grundsätzlich die Verpflichtung, Antworten auf Bieterfragen allen Bietern zur Verfügung zu stellen“.
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Produktspezifische Beschaffung von Cloudleistungen über die Microsoft-Konditionenverträge?
Unzulässige Bevorzugung durch Microsoft-Konditionenverträge
Der Grundsatz der Produktneutralität ist ein zentraler Pfeiler des Vergaberechts. Dennoch stellt sich in einem der wichtigsten Bereiche der öffentlichen Beschaffung, nämlich dem IT-Bereich, oft die Frage, ob er in letzter Konsequenz beachtet wird. Vor allem Cloud-Leistungen stechen hierbei besonders heraus. Obwohl es für diese Leistungen einen regen Wettbewerb gibt, werden Cloud-Leistungen nicht selten produktspezifisch beschafft. Das gilt vor allem für die „Azure“ Cloudleistungen von Microsoft. Viele Auftraggeber beschaffen Azure-Leistungen über sog. Händlerausschreibungen auf Basis der Microsoft-Konditionenverträge, ohne auch Produkte anderer Anbieter einzubeziehen. Obwohl diese Praxis unseres Erachtens gegen die Vergabevorschriften verstößt, hat sie in der Fachdiskussion bisher kaum Beachtung gefunden.
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Pauschalierte Entgelte für Krankenhausleistungen sind keine öffentliche Finanzierung
OLG Celle, Beschl. v. 27.08.2024 – 13 Verg 3/24
Wann führt die Finanzierung durch Krankenkassen dazu, dass eine GmbH europaweit ausschreiben muss? Das hatte das Oberlandesgericht Celle anlässlich der Vergütung psychiatrischer Leistungen zu entscheiden. GWB § 99 Nr. 2 a, §§ 103, 155
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Zusatz „oder gleichwertig“ ist bei technischen Anforderungen ein Muss
EuGH, Urt. v. 24.10.2024 – C-513/23 – Obshtina Pleven
Sind die technischen Spezifikationen in den Vergabeunterlagen unter Bezugnahme auf nationale Normen formuliert, die zur Umsetzung europäischer Normen dienen, so ist stets der Zusatz „oder gleichwertig“ hinzuzufügen. Dies ist in Art. 42 Abs. 3 Buchst. b RL 2014/24/EU und entsprechend in § 7a EU Abs. 2 Satz 2 VOB/A sowie § 31 Abs. 2 Satz 2 VgV geregelt. Der EuGH hatte darüber zu entscheiden, ob diese Gleichwertigkeitsklausel auch für sog. harmonisierte Normen Anwendung findet.
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Vertrauenstatbestand und umfassende Änderungsbefugnis im Verhandlungsverfahren – Oder etwa doch nicht?
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.09.2024 – 15 Verg 9/24
Durch die positive Eignungsprüfung seitens des Auftraggebers wird zu Gunsten des Bieters ein Vertrauenstatbestand geschaffen. Danach darf der Bieter darauf vertrauen, dass der Auftraggeber seine Eignung nicht auf Grund gleichbleibender tatsächlicher Grundlagen später abweichend beurteilen wird. Diese sich nun auch durch das OLG Karlsruhe verfestigende Spruchpraxis ist kritisch zu hinterfragen. Trotz Verwendung einer uneingeschränkten Formulierung, dürfte das OLG Karlsruhe mit der Entscheidung, dass Auftraggeber im laufenden Vergabeverfahren berechtigt sind, alle Bestandteile der Vergabeunterlagen, insbesondere Leistungsbeschreibung, Zuschlagskriterien, Unterkriterien und Gewichtungen zu ändern, lediglich Verhandlungsverfahren im Blick gehabt haben, bei welchen zum Zeitpunkt einer Anpassung noch keine Erstangebote eingegangen sind. Die Aussage ist daher kaum verallgemeinerungsfähig und restriktiv anzuwenden.
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Kein geschützter Marktzugang für Bieter aus Drittstaaten – jetzt alles geklärt?
EuGH, Urt. v. 22.10.2024 – C-652/22 – „Kolin“
Der Zugang von Wirtschaftsteilnehmern aus Drittländern, die nicht Teil des GPA oder eines ähnlichen Abkommens sind, war auf europäischer Ebene bereits seit einiger Zeit ein zunehmend konkretes Thema, hat die deutschen Gerichte jedoch bisher lediglich vereinzelt beschäftigt. Während die allermeisten Auftraggeber keine Berührungspunkte mit Bietern aus Drittstaaten haben, ist dies in bestimmten Branchen, z.B. im Verteidigungs- oder Fahrzeugbereich, durchaus von Bedeutung. Die Relevanz des Themas zeigt nicht nur der Referentenentwurf zum Vergabetransformationspaket, sondern auch die Entscheidung des EuGH in Sachen „Kolin Inşaat Turzim sanayi ve Ticaret“ („Kolin“), die massive Konsequenzen für die Beteiligung von Bietern aus nicht vertragsgebundenen Drittstaaten hat.
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Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz schränkt den Gestaltungsspielraum der Mitgliedsstaaten und den Entscheidungsspielraum der öffentlichen Auftraggeber dahingehend ein, dass nicht generell jede Veränderung in der Zusammensetzung einer Bietermeinschaft als Ausschlussgrund angesehen werden darf.
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Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) (siehe Vergabeblog.de vom 23/10/2024, Nr. 57694) hat am 18.10.2024 seine Entwürfe zur Reform des Vergaberechts (Vergabetransformationspaket) veröffentlicht und die Länder- und Verbändeanhörung eingeleitet. Der Referentenentwurf zum Vergaberechtstransformationsgesetz (VergTransfG), der insbesondere Änderungen im 4. Teil des GWB umfasst (GWB-RefE), enthält unter anderem auch Klarstellungen zum Anwendungsbereich des Vergaberechts bei öffentlich-öffentlicher Zusammenarbeit.
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Hat ein Bieter selbst nicht die Kapazitäten, um einen öffentlichen Auftrag auszuführen, steht es ihm nach den vergaberechtlichen Grundsätzen frei, sich der Kapazitäten anderer Unternehmen zu bedienen. Neben der Möglichkeit, Teile der Leistung durch ein anderes Unternehmen als Nachunternehmer (Unterauftrag) ausführen zu lassen, darf sich der Bieter auch der sogenannten Eignungsleihe bedienen. Beide Arten der Inanspruchnahme anderer Unternehmen können sich dabei auch überschneiden bzw. zusammenfallen.