Recht
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Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat die Gelegenheit zur Klärung einer zentralen Rechtsfrage im Datenschutzrecht zur Schaffung von Rechtssicherheit für Auftraggeber und Bieter in Vergabeverfahren verstreichen lassen. Statt materiell-rechtliche Fragestellungen zu überprüfen, verweist der Vergabesenat auf den guten Glauben an Garantien im Angebot zur vertragskonformen Leistungserbringung.
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Zuletzt hatte sich im vergangenen Jahr unter anderem die VK Baden-Württemberg (vgl. Vergabeblog.de vom 18/10/2021, Nr. 48179) zu der aktuellen Thematik der Dokumentation von mündlichen Präsentationen im Vergabeverfahren geäußert. Nun hat die VK Bund abermals ihre bereits in der Vergangenheit skizzierte Linie bekräftigt, dass die Dokumentation von gewerteten Präsentationen gem. § 8 VgV sehr ernst zu nehmen ist.
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Solange Verfahrensfehler im Einzelfall nicht doch eine Auswahlentscheidung begründen, unterliegen Open-House-Modelle nicht der Überprüfung durch die Vergabekammern. Mit diesen (redaktionell bearbeiteten) Entscheidungssätzen nutzte die Vergabekammer die Gelegenheit, für Rabattverträge der Krankenkassen als Regelungsgegenstand der Sozialgesetzgebung und des Kartellvergaberechts den aktuellen Stand der obergerichtlichen Rechtsprechung nachzuzeichnen. Vergabestellen können allein durch ihre Angaben im EU-Bekanntmachungsformular zur zuständigen Stelle für Rechtsbehelfe nicht verbindlich den Rechtsweg zu den Sozialgerichten oder den Vergabekammern bestimmen. Diese Wirkung kommt aber der Wahl eines Open-House-Verfahrens zu, mit welchen der Auftraggeber jedenfalls grundsätzlich im Sinne eines What you see is what you get die Weichen zur Sozialgerichtsbarkeit stellt:
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Die Bewilligung einer finanziellen Zuwendung mit umweltpolitischer Zielsetzung darf nicht davon abhängig gemacht werden, dass die Antragsteller eine Erklärung zu ihrer Religion oder Weltanschauung abgeben. Bei der in Rede stehenden Beantragung einer Förderung des Erwerbs von Pedelecs durch Gewerbetreibende darf daher keine Schutzerklärung in Bezug auf die Lehren von Scientology/ L. Ron Hubbard verlangt werden. Eine Koppelung der Bewilligung von Fördermitteln der Elektromobilität an die Abgabe einer solchen Schutzerklärung verstößt gegen die (negative) Religionsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG sowie gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 GG und fällt nicht in die Zuständigkeit der Gemeinde (Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG).
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Die Vergabekammer Westfalen sieht eine fehlende Preisgleitklausel bei Rohbauarbeiten aufgrund der jüngsten Entwicklungen beim Stahlpreis als unkalkulierbares Wagnis an. Die Tendenz in der Rechtsprechung der Vergabekammern verdichtet sich damit weiter: Öffentliche Auftraggeber müssen bei bestimmten Stoffen, deren Marktpreis derzeit einer besonders hohen Schwankung unterliegt, Preisgleitklauseln vorgeben, um den Bietern eine Angebotsabgabe zu ermöglichen.
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Folgt man der VK Baden-Württemberg, verstößt der Einsatz europäischer Cloud-Dienstleister mit U.S.-amerikanischer Konzernmutter bei personenbezogenen Daten generell gegen die DSGVO. Das hört sich abenteuerlich und praxisfern an — hat jetzt aber einen deutschen IT Solution Provider, der solche Cloud-Dienste einsetzen wollte, erst einmal den Auftrag gekostet. Der folgende Beitrag erläutert, was an der (nicht rechtskräftigen) VK-Entscheidung nicht stimmt.
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Wie ist es zu bewerten, wenn ein Bieter auf eine Nachforderung zunächst inhaltlich unzureichende Referenzen einreicht, innerhalb der ursprünglich gesetzten Nachforderungsfrist dann jedoch ein weiteres Mal Referenzen nachreicht, welche die Anforderungen erfüllen? Diese Frage ist bislang nicht obergerichtlich geklärt. Nunmehr hat die VK Bund entschieden, dass den Bietern kein zweiter Versuch innerhalb der Nachforderungsfrist zusteht.
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Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) befasste sich mit der Frage, ob und inwieweit ein öffentlicher Auftraggeber mit einem einzigen Unternehmen verhandeln darf, nachdem ein offenes Verfahren mangels annehmbarer Angebote gescheitert war. Und ganz nebenbei gestattet sich das Gericht, Vergaberecht im Unterschwellenbereich auszulegen, ohne dass eine sog. Binnenmarkrelevanz vorliegt, wenn nämlich das nationale Recht auf das Oberschwellenrecht verweist. Rechtsanwalt und Fachanwalt für Vergaberecht Dr. Roderic Ortner hat sich die Entscheidung für uns näher angeschaut.
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Die Präqualifizierung erleichtert den Nachweis der Eignung im Vergabeverfahren zugunsten der Bieter und der Auftraggeber. Bauunternehmen können ihren Aufwand für die Beteiligung an öffentlichen Vergabeverfahren verringern und Zeit und Kosten sparen. Auftraggeber werden entlastet, da sie sich grundsätzlich auf die im Präqualifikationsverzeichnis hinterlegten Nachweise verlassen können. Ein Rund-Um-Sorglos-Paket kann auch die Präqualifizierung aber nicht bieten. Die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 8. Juni 2022 wirft ein Schlaglicht auf die Fallstricke, die bei Nutzung der Präqualifizierung zu beachten sind.
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Die VK Thüringen nimmt in dieser Entscheidung zur aktuellen Situation rund um die Preisgleitklausel bei Bauaufträgen Stellung. Dabei entscheidet die VK für die Zurückversetzung des Verfahrens, obwohl die ursprüngliche Rüge des Bieters nur seinen rechtmäßigen Ausschluss umfasste und das Fehlen der Preisgleitklausel erst im Nachgang mit anwaltlicher Beratung beanstandet wurde. Hierin sieht die Vergabekammer trotzdem die Rügeobliegenheit erfüllt, der Vergabeverstoß aufgrund der fehlenden Preisgleitklausel sei für den Bieter ohne anwaltliche Beratung nicht ohne weiteres erkennbar.