Recht
-
Der zweite Teil des Beitrags zu OSS-Vergaben (Teil 1 finden Sie auf Vergabeblog.de vom 02/05/2022, Nr. 49442) behandelt eine Konstellation, in der von einer erhöhten Darlegungslast für das Leistungsversprechen eines Wettbewerbers im Zusammenhang mit der Nutzung von OSS auszugehen ist. Während der erste Teil dieses Beitrags verdeutlicht hat, welchen Restriktionen sich öffentliche Auftraggeber bei OSS-Vergaben ausgesetzt sehen können, zeigt die in diesem Beitragsteil besprochene Entscheidung Spielräume auf Auftraggeberseite bei OSS-Vergaben auf.
-
Das öffentliche Vergaberecht, das sich in unterschwelliges „nationales“ und oberschwelliges „europäisches“ Vergaberecht gliedert, ist aufgrund der Überlagerung durch die EU-Richtlinien schon sehr komplex sowie dynamisch und stellt die Anwender in der Praxis vor nicht unerhebliche Herausforderungen. Diejenigen, die die Pflicht zur Einhaltung des Vergaberechts zuvörderst betrifft, sind grundsätzlich die öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 99 GWB und der Haushaltsordnungen. Diese müssen in der Regel gegenüber den Rechnungsprüfungsämtern oder Rechnungshöfen Rechenschaft über die Einhaltung der Vergabepflichten ablegen.
-
Der EuGH hat in einer wegweisenden Entscheidung zum Erfordernis einer Höchstgrenze bei Rahmenvereinbarungen im Jahr 2021 festgestellt, dass eine Rahmenvereinbarung bei Erreichen der Höchstgrenze ihre Wirkung verliert. Seitdem ist in der Vergabepraxis ungeklärt, was unter diesem „Verlieren der Wirkung“ genau zu verstehen ist. Das OLG Koblenz hat sich nunmehr in einer aktuellen Entscheidung ausführlich mit dieser Frage befasst. Nach Auffassung des OLG Koblenz verliert eine Rahmenvereinbarung bei Erreichen der Höchstgrenze automatisch ihre Wirkung. Ein Kündigungsrecht des Auftraggebers für den Fall des Erreichens der Höchstgrenze sei deshalb nicht erforderlich und führe dazu, dass die Höchstgrenze nicht transparent aufgestellt wurde.
-
Als eleganter Weg, angeblichen vergaberechtlichen Restriktionen zu entkommen, erschien dem Bund seinerzeit die Beschaffung von Schutzmasken im Wege eines Zulassungssystems. Keine exklusive Auswahl des wirtschaftlichsten Angebotes, sondern jeder Anbieter, der die vom Auftraggeber gesetzten Anforderungen an die Eignung sowie die Leistungsbedingungen erfüllt, ist zu diesem System zuzulassen. Dabei ist die Zulassung gleichbedeutend mit einem Vertragsschluss (sog. open-house-Vertrag). Da ein wettbewerbliches Auswahlverfahren des wirtschaftlichsten Angebots und damit eine Exklusivität entfällt, liegt kein öffentlicher Auftrag vor, der die Anwendung des vermeintlich störenden Vergaberechts zu seinem Abschluss erforderlich machen würde.
-
Trotz zum Teil schwerer Vergaberechtsverstöße erklärte der 5. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts die Rückforderung einer Zuwendung für rechtswidrig (siehe hierzu bereits Vergabeblog.de vom 21/09/2022, Nr. 51030). Rückforderungen müssen verhältnismäßig sein und auch ein sog. „intendiertes Ermessen“ muss fehlerfrei ausgeübt werden.
-
Nachdem es bei der Vergabe von Lieferleistungen kein allgemeines Verbot für öffentliche Auftraggeber mehr gibt, den Bietern ungewöhnliche Wagnisse aufzubürden, ist eine Preisanpassungsklausel nur dann anzuordnen, wenn den Bietern eine vernünftige kaufmännische Kalkulation unzumutbar ist. Die Hürden für die Unzumutbarkeitsgrenze liegen hoch. Dass der öffentliche Auftraggeber bei Preisgleichstand von Angeboten über den Zuschlag durch Los entscheiden will (sog. Stichentscheid), ist nicht vergaberechtswidrig.
-
Ein Schulträger wollte preisgebundene Schulbücher und Arbeitshefte für das neue Schuljahr beschaffen. Innerhalb des Vergabeverfahrens kam es zwischen öffentlichem Auftraggeber und einer Bieterin zu Missverständnissen, wie die Vergabeunterlagen zu verstehen seien. So nahm die vergaberechtliche Nachprüfung ihren Lauf.
-
Vergabekonforme zentrale Beschaffungstätigkeit oder unzulässige Auslagerung der Vergabeentscheidung?
Viele öffentliche Auftraggeber haben sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, ob und wie ihre öffentliche Beschaffungstätigkeit zumindest in Zeiten enger zeitlicher und personeller Ressourcen ausgelagert werden darf, obwohl die Vorbereitung, Durchführung und Beratung in Vergabeverfahren zu den klassischen Aufgabenbereichen der öffentlichen Verwaltung gehört. Die Auslagerung der Vergabeentscheidung ist grundsätzlich an unterschiedliche externe Stellen denkbar. So kommen als gängigste externe Stellen Unternehmensberatungen, Rechtsanwaltskanzleien, Architekten- und Ingenieurbüros und ähnliche Beschaffungsdienstleister oder zentrale Beschaffungsstellen in Betracht.
-
Mit den in § 108 GWB geregelten Vergabeausnahmen bei öffentlich-öffentlicher Zusammenarbeit sollte die Rechtsunsicherheit bei Inhouse-Geschäften und interkommunaler Zusammenarbeit beseitigt werden. Erreicht wurde das gesetzgeberische Ziel noch nicht. Vor allem Beschaffungen bei gemeinsamer Kontrolle mehrerer öffentlicher Auftraggeber sind fehleranfällig, wie ein Richterspruch des EuGH beweist.
-
Ein Beitrag im Rahmen der Konsultation zur Transformation des Vergaberechts (zur derzeit laufenden Konsultation siehe Vergabeblog.de vom 05/01/2023, Nr. 52121). Und ein Appell für mehr Wettbewerb und Rechtsstaatlichkeit.