UNBEDINGT LESEN!
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Wie du mir, so ich dir: Ausschluss von Bietern aus Drittstaaten wie China
EuGH, Urt. v. 13.3.2025 – C-266/22 – CRRC Qingdao Sifang
Der Markt für öffentliche Aufträge in der EU gehört zu den größten und zugänglichsten weltweit. Unternehmen aus Drittstaaten, die kein Freihandelsabkommen mit der EU im Bereich des öffentlichen Auftragswesens geschlossen haben, können sich jedoch nicht auf das Prinzip der Gleichbehandlung berufen. Dies entschied die Große Kammer des EuGH im wegweisenden Kolin-Urteil (Rs. C-652/22) im Jahr 2024. Die Luxemburger Richter bestätigten nun ihre Rechtsansicht, die den Binnenmarkt schützt.
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Funktionale Leistungsbeschreibungen sind auch bei Bauvergaben nicht rechtfertigungsbedürftig!
EuGH, Urt. v. 16.01.2025 – C-424/23
Bei Bauvergaben der öffentlichen Hand zeichnet sich zunehmend ein Trend zur gesamthaften Vergabe von Planungs- und Bauleistungen aus einer Hand ab. Die sog. Totalunternehmervergabe bietet gegenüber der klassischen Ausschreibung in vielen Einzelgewerken oft zahlreiche Vorteile, insbesondere eine hohe Kosten- und Terminsicherheit. Auch ist es möglich, über ein sog. Zwei-Umschlag-Verfahren Elemente eines Architektenwettbewerbs in die Vergabe zu integrieren. Notwendig ist dafür eine sog. funktionale Leistungsbeschreibung.
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Auch nach Angebotsabgabe keine Rügepräklusion: Nicht auftragsbezogene Zuschlagskriterien sind unzulässig!
BayObLG, Beschl. v. 11.12.2024 – Verg 7/24
Eine neue Chance für den unterlegenen Bieter durch einen späten Angriff auf die Zuschlagskriterien. Ein aktueller Beschluss des BayObLG zeigt auf, dass eine Rüge der Vergaberechtswidrigkeit von Zuschlagskriterien auch nach Erhalt der Vorabinformation gemäß § 134 GWB noch Erfolg haben kann.
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Widerruf einer Zuwendung auch bei diskutablen Fehlern – korrekt?
VG Magdeburg, Urt. v. 09.07.2024 – 3 A 159/22 MD
Zuwendungen werden regelmäßig mit Auflagen zur Beachtung von Vergaberecht versehen. Deren Einhaltung wird nach objektivem Maßstab überprüft. Laut VG Magdeburg führt der ausgebliebene Ausschluss von Angeboten bei falschen Umsatzangaben, der Vorlage einer abgelaufenen Unbedenklichkeitsbescheinigung nach BG Bau und einem fehlendem Kreuz in einer Erklärung der Produktherkunft jeweils zum teilweisen Widerruf einer Zuwendung. Diese Entscheidung hält einer Prüfung nicht in Gänze stand.
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Sturm im Wasserglas – VG verneint Anwendbarkeit der Bereichsausnahme Gefahrenabwehr in Niedersachsen!?
VG Lüneburg, Urt. v. 29.01.2025 – 6 A 55/24
Im Widerspruch zu diversen obergerichtlichen Entscheidungen bundesweit verneint das VG Lüneburg überraschenderweise die Anwendbarkeit der Bereichsausnahme Gefahrenabwehr/Rettungsdienst für Niedersachsen und wendet GWB-Vergaberecht an. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Das VG Lüneburg statuiert eine Kündigungspflicht für bestimmte bestehende Verträge im Rettungsdienst. Es ordnet ein Auswahlverfahren nach GWB-Vergaberecht an.
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Keine Berufung auf Alleinstellungsmerkmale bei Verantwortlichkeit des Auftraggebers
EuGH, Urt. v. 09.01.2025 – C‑578/23 – Česká republika – Generální finanční ředitelství
Der Rückgriff auf das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb ist nur in Ausnahmefällen zulässig. Ein in der Praxis regelmäßig herangezogener Grund ist, dass gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. c VgV aufgrund von Ausschließlichkeitsrechten, beispielsweise Urheberrechten, nur ein bestimmtes Unternehmen den Auftrag ausführen kann. Der EuGH hat sich jüngst mit der Frage befasst, ob ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb auch dann durchgeführt werden darf, wenn der Auftraggeber selbst für das Alleinstellungsmerkmal verantwortlich ist. Die Entscheidung verschärft die Anforderungen für Ausnahmen vom Wettbewerb erneut.
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Regress der geförderten Kommune wegen Vergabefehlern ihres Entwicklungsträgers?
OVG NRW, Urt. v. 12.12.2024 – 10 A 2417/22
Eine geförderte Kommune kann gegenüber ihrer Entwicklungsträgerin vertragliche Schadenersatzansprüche während der regemäßigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB geltend machen. Ein Schadensersatzanspruch wegen der Rückforderung von Zuwendungen aufgrund von Vergabefehlern entsteht erst mit der Bekanntgabe des Widerrufs- und Rückforderungsbescheids der Zuwendungsgeberin gegenüber der Kommune.
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Bereichsausnahme Gefahrenabwehr – Mehrwert für den Bevölkerungsschutz kann in Auswahlverfahren belohnt werden
OLG Jena, Beschl. v. 12.06.2024 – Verg 1/24
Die Bereichsausnahme Gefahrenabwehr/Rettungsdienst (§ 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB) wird nicht durch landesrechtliche Regelungen beschränkt. Sie ist europarechts- und grundgesetzkonform und bundesweit auch ohne ausdrückliche Erwähnung im Landesrecht anwendbar. Damit wird der Spielraum für Träger des Rettungsdienstes größer, das System der gesundheitlichen Gefahrenabwehr ganzheitlich zu betrachten und z.B. lokal/regional vorhandene Ressourcen für den Katastrophenschutz positiv zu bewerten.
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Der Projektant bleibt an Board!
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.12.2024 – Verg 24/24
Der unterlegene Bieter muss darlegen, über welche Informationen der Projektant verfügt, die diesen in der Angebotsauswertung begünstigt haben. Das OLG Düsseldorf hat in seiner Entscheidung die Erteilung des Zuschlags an einen Projektanten für rechtmäßig erachtet, weil der Auftraggeber den erlangten Wissensvorsprung durch das Zurverfügungstellen der relevanten Informationen ausgeglichen und die Angebote neutral bewertet hat. Die Angemessenheit der Bewertungskriterien wurde hingegen aufgrund der Rügepräklusion nicht mehr überprüft.
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Die VOB/B müssen und sollten nicht in jede Bauausschreibung. Doch für die Vergabe von Bauleistungen ab Erreichen des Schwellenwerts schreibt § 8a EU Abs. 1 Satz 1 VOB/A grundsätzlich vor, dass in den Vergabeunterlagen die Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen (VOB/B) und die Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen (VOB/C) Bestandteile des Vertrags werden (dazu 1). Demgegenüber lässt § 8a EU Abs. 2 VOB/A ausdrücklich Ergänzungen und bestimmte Abweichungen von den VOB/B zu (dazu 2.). Doch was gilt, wenn projektspezifische weitergehende Abweichungen erforderlich sind? Sind diese begründungspflichtig und wenn ja, welche Möglichkeiten zur Begründung bestehen und welcher Maßstab ist anzulegen (dazu 3.)?Fehlt es an einer hinreichenden Begründung, welche Folgen haben Verstöße gegen § 8a EU VOB/A (dazu 4.)? Im Ergebnis sind projektspezifische Abweichungen von den VOB/B in Einklang mit § 8a EU VOB/A rechtssicher möglich (dazu 5.).